Dienstag, 26. April 2011

32/ Besuch aus Europa


Seit Wochen liefen bei mir auf Arbeit die Vorbereitungen für den großen Kundenbesuch aus Europa. Diesmal sollten an die 10 Personen aus verschiedenen Ländern kommen.
Deswegen ließ sich auch der „Rosa Niederländer“, wie ich ihn so gerne nenne, öfters bei uns blicken. Den Namen hat er sich redlich verdient: Ich habe ihn noch kein einziges Mal ohne ein rosa T-Shirt bzw. Hemd gesehen – eigentlich heißt er Gerald. Für seine Firma in den Niederlanden managt er die Projekte vor Ort. Aber trotz seines regelmäßigen Aufenthaltes in Indien hat er noch nichts gesehen außer Flughafen und Hotel. Hier kann er „Workaholic“ sein; Familie und Freunde sind ja in den Niederlanden. Gerald ist begeistert, dass ich hier arbeite und sogar Deutschunterricht gebe. Natürlich hat er sich auch gleich einen Niederländer hierher gewünscht.

Einen Tag vor dem großen Tag ging ich mit Gerald und einem anderen Weißen in die Manipal Press Unit 5. Das ist ein riesiges Gebäude, in dem sich das Pre-Press-Department (Druckvorstufe) und der kommerzielle Druck befinden. Uns wurde alles genau gezeigt und erklärt. Letztes Mal habe ich ja nur die Packaging-Fabrik (Verpackung) besichtigt. Wir liefen an unheimlich vielen verschiedenen Maschinen vorbei für Druck, Weiterverarbeitung, Veredelung usw. Ich staunte nicht schlecht, als ich auf einer Druckmaschine das Logo von Mitsubishi entdeckte. Noch riesiger und erstaunlicher war allerdings das Lager. Da türmten sich Unmengen von Papierrollen in unendliche Höhen auf - kaum eine Papiersorte, die es nicht gab. Da wünscht man keine Wasser- oder Brandunfälle.
Während ich schon einige Druckereien gesehen hatte, war es für unseren Dritten im Bunde eine völlig neue Erfahrung. Erst dachte ich, es sei ein Kunde, der schon einen Tag früher angereist sei. Aber es stellte sich heraus, dass er wie ich ebenfalls für 6 Monate bei ritten im BundeMDS arbeiten wird. Er ist Franzose und heißt Guillaume Boissy. Guillaume (ausgesprochen: Gie-em) heißt auf Deutsch Wilhelm. Er hat in Kanada Anthropologie studiert. Seinen Master hat er aber in internationalem Handel speziell für Asien in Frankreich absolviert. Er ist ebenfalls das erste Mal in Indien. Und er hat 2 Jahre Indonesisch gelernt.

Der hohe Besuch aus Europa sollte natürlich angemessen empfangen werden. Das war meine Chance als eine der Sari-Mädchen am traditionellen Willkommens-Prozedere teilzunehmen. Mehrmals probten wir den Ablauf vor der Eingangshalle der Manipal Press. Es wurde heftig diskutiert, wer wo stehen sollte. Während andere das Organisatorische berieten, blieb genug Zeit für meine lieben Kolleginnen sich ausführlich mit mir und meinem Äußeren zu beschäftigen. Drei der Mädchen fragten mich unabhängig voneinander welches Shampoo ich benutzten würde und stellten fest, dass meine Haare sehr gesund aussehen. So eine Frage bekomme ich ja sonst nicht gestellt und ich musste ernsthaft überlegen. „Schwarzkopf“ konnten sie zwar nicht aussprechen, aber Eine wusste genau, was ich meinte. Ich erzählte ihr, dass Schwarzkopf wörtlich übersetzt „black head“ heißt. Da sagte sie verwundert, dass es das doch auch für andere Haarfarben gäbe. Ich musste lachen: „Das ist doch nur der Markenname“. Schon lustig, „Schwarzkopf“ wäre ja eigentlich die perfekte Marke für indische Frauen.
So, als wir das Thema Shampoo erfolgreich abgeschlossen hatten, schlug mir eine Andere vor, ich solle meine Haare ab der Mitte schwarz färben und oben rot. Ahhhhh...und sie meinte das auch noch ernst. Naja, irgendwann war so was ja auch mal Mode gewesen in Deutschland. Dann wurde ich weiter von oben bis unten abgecheckt. Eine wollte mir meine Fingernägel wie ihre lackieren - also blau mit Blümchen drauf...lieber nicht. Und sie amüsierten sich über meine „pinken“ Lippen.  

Am Tag des Besuchs war ich schon um 8 auf Arbeit, damit die Mädels mich bis zum Kundenbesuch um 9.00 Uhr fertig präpariert hatten. Ich hatte mir wieder den gleichen Sari ausgeliehen und diesmal ging es auch recht zügig. Priyanka zauberte mir eine wunderschöne französische-Zopf-Frisur. Zur Enttäuschung meiner Freundinnen hatte ich mir immer noch keine glimmer-glitzer-indischen Armreifen zugelegt. So wurde ich mit einem silbernen Armband von Sri ausgestattet und Anusha bestand darauf, dass ich ihre goldene Uhr trug – der Standardschmuck der Inder. Neben mir wurden auch noch Sri und Prajna in ihre Saris befördert. Sie mussten das wieder mal vor ihrer Familien verheimlichen. 
Trotz Anweisung des Chefs trugen nicht alle Mitarbeiterinnen einen Sari. In traditionellen Familien gilt der Glaube, dass, wenn eine nichtverheiratete Frau einen Sari trägt, gleicht das der Aufforderung: Ich bin bereit zum Heiraten. Die Eltern möchten deshalb nicht, dass ihre Töchter den Sari auf Arbeit tragen – es soll ja schließlich keine Love Marriage werden. Sari dürfen die Töchter maximal tragen, wenn die Eltern sie mit auf eine Function (offizielle Feierlichkeit) in ihrem Umfeld nehmen. Da suchen sich dann die Eltern einen potenziellen Kandidaten aus.
Aber Priyanka versicherte mir, dass an diese Sari-Geschichte heute nur noch wenige glauben. Bester Beweis war ja, dass die allermeisten Mädels einen Sari getragen haben.
Doch Prajna und auch Sri haben beide jede Menge Ärger zu Hause. Sie möchten (noch) nicht heiraten – bei Sri konnte ich den Grund bisher noch nicht heraus finden. Was das betrifft, ist sie sehr verschlossen.
Beide sind 25 und älter – über das beste Heiratsalter schon hinaus. Aber schlimmer ist noch, dass sie die ältesten der Geschwister in ihren Familien sind. Bis sie nicht geheiratet haben, dürfen auch die Jüngeren nicht heiraten. Der Druck wächst also täglich.
Das sind die allgegenwärtigen indischen Familiendramen. Besonders bei Sri bekomme ich täglich mit, wie sie leidet. Sie ist ein sehr fröhlicher Mensch, aber öfters ist sie sehr traurig und nachdenklich. Ich habe sie schon versucht aufzumuntern

Zurück zum Kundenempfang!

Der Blick auf meine Uhr verriet mir, dass es kurz nach 9 war. An der verriegelten Tür zum zur Umkleide umfunktionierten Traingsroom wurde hastig geklopft. Wir Mädels eilten, so schnell es im Sari ging, zum Eingang der Manipal Press. Als die großen Wagen vorfuhren, standen alle an Ort und Stelle. Ungefähr 10 weiße Frauen und Männer stiegen aus. Zuerst wurden sie von Sushmitha mit Aarthi, Tilak und Akshath begrüßt. Bei Aarthi wird eine Platte mit Öllampe, rotgefärbten Wasser und Reis im Uhrzeigersinn bewegt. Beim Tilak zeichnet der Ringfinger mit dem rotgefärbten Wasser eine Linie auf die Stirn. Der Tilak steht für Sieg. Damit wird dem Kunde Erfolg und Wohlstand gewünscht. Gleich darauf folgt der Akshat, in dem Reis auf das Tilak geklebt wird.




Shilpa war die Zweite und streute über die Köpfe der Gäste Blütenblätter. Als nächstes war ich an der Reihe. Komal und Reshma reichten mir die großen schweren Blumenkränze, die ich den Kunden umhing. Vismitha hielt eine typisch indische Süßigkeit bereit und Chaitra sowie Priyanka übergaben die personalisierten ID-Bänder. Anschließend fanden wir uns für ein Gruppenfoto zusammen und dann konnte die Führung durch die Manipal Press beginnen. Guillaume fungierte als Übersetzungsgehilfe für die französischen Kunden. Ich sollte das eigentlich für den deutschen Kunden machen, aber sein Englisch war gut genug, so dass sie mich nicht brauchten.




Bei MDS präparierte man in der Zeit das Foyer. Erst wurden die Blüten von verschiedenfarbigen Blumen abgerupft. Dann wurde mit Lineal, Strick und Stift das Muster auf den Fliesen vorgezeichnet. Immer wieder wischten es die Mädels weg, weil sie nicht zufrieden waren und diskutierten mal wieder wild in ihrer Sprache. Aber pünktlich um 10 waren alle Blüten und Öllampen fertig dekoriert. Das Endbild sieht natürlich toll aus, aber es ist extrem aufwändig.




Dann wurden die Kunden durch unsere Firma geführt. Einer der Niederländer seilte sich ab und kam an meinen Platz. Ich erntete mal wieder viele Komplimente für mein Outfit. Dann fragte ich ihn, wer denn der Deutsche unter den Kunden sei. „Der mit der Brille.“ Ich reckte meinen Kopf, aber er war verdeckt und ich sah ihn nicht. Da sagte der Niederländer: „Na, der mit dem roten Punkt auf der Stirn!“ Haha...haben ja heute alle einen bekommen. :)
Zum Schluss bekamen die Kunden noch jede Menge personalisierte Geschenke: Stifte mit Namen, Tassen, Tragetaschen, Süßes, aber das Highlight war ein Kalender. Darauf waren die Bilder von der Begrüßung der Kunden zu sehen. Auf einem Monat bin ich drauf, wie ich einem Mann gerade die Kette umhänge.  Also ich empfehle euch: Werdet Kunden von MDS und lasst euch empfangen und umsorgen wie die Könige hier.
Als sich dann der hohe Besuch zum Mittagspeisen entfernte, war für uns Mädels im Sari wieder Fotoshooting angesagt.




Prajna und die XML-Girls



Anusha und ich


Meine liebe Sri























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