Sonntag, 17. April 2011

27/ Goa - Tag der Anreise


(Aben)teuerurlaub in Goa



Goa ist der kleinste indische Bundesstaat – so groß wie das Saarland. Er liegt an der mittleren Westküste Indiens. Die Region war rund 450 Jahre lang portugiesische Kolonie. Kaum ein indischer Bundesstaat ist kulturell so nachhaltig von einer europäischen Kolonialmacht beeinflusst worden wie Goa. Dies zeigt auch der hohe katholische Bevölkerungsanteil.
Goa war schon seit langem unser Traumreiseziel Nummer 1. Wir entschieden uns spontan für diesen Kurzurlaub, da am Montag der Feiertag 'Ugadi' war. Außerdem soll es zwischen November und März am schönsten dort sein, also nutzen wir die Gelegenheit Anfang April.


Das war unser erster Urlaub, in den wir ziemlich planlos gefahren sind. Unsere Nachbarn und Kollegen riefen uns zwar die wichtigsten Orte zu, aber alle zu besichtigen wäre in der Kürze der Zeit unmöglich gewesen. Um doch einiges mitzunehmen, vertrauten wir auf viele hilfbereite Inder vor Ort. Das „kleine Goa“ allein zu bereisen und auszukundschaften dürfte keine große Herausforderung sein – dachten wir.

 

Da hab ich noch gut Lachen. Mein hart verdientes Geld für den Goa-Trip.

 

Tag der Anreise

Das preisgünstige Reisen per Zug haben wir schon auf unserem Ausflug nach Murudeshwar in Anspruch genommen. An die Zugtickets bzw. die genauen Abfahrtszeiten zu kommen, war gar nicht so einfach. Es benötigte die Hilfe dreier Kollegen und meines Chefs bis wir eine verlässliche Auskunft erhielten. Die Tickets der „Sleeper class‘ sind teurer und man kann sich einen Tag vorher die Plätze reservieren. Wir wollten aber im billigsten Abteil „General“ mitfahren.
Am Samstag sollte es losgehen und die Züge fuhren 11.00 Uhr, 16.00 Uhr und 21.00 Uhr. Nach Absprache mit meinem Chef konnte ich an diesem Tag eher von Arbeit los. Um die Tickets zu kaufen, soll man eine Stunde vor Abfahrt da sein. Also standen wir pünktlich um 3 am Bahnhof und der Ticketkauf verlief problemlos. 

Vor dem Bahnhof
Ausblick vom Bahnhof


Wir stiegen im mittleren Teil des Zuges ein. Das Abteil war für indische Verhältnisse ungewöhnlich „leer“ und wir ergatterten zwei Fensterplätze. Auf einer langen Pritsche saßen meist nur ein bis zwei Personen. Da ahnten wir schon, dass wir wahrscheinlich in der Sleeper Class gelandet waren. Wir blieben aber sitzen, denn auf unseren zwei Einzelplätzen schienen wir niemanden den Platz wegzunehmen. Nach einer Stunde Fahrt kam dann der Schaffner. Als Ausländer kann man sich ja auch mal dumm und unwissend stellen. Er suchte seine „VIP-Liste“ nach uns ab - fand uns natürlich nicht. Als wir erfuhren, dass wir noch mal doppelt soviel drauf zahlen müssten, wechselten wir lieber beim nächsten Halt in die „General class“. Die sah der „Sleeper class“ zum verwechseln ähnlich - nur etwas dreckiger war es vielleicht. Wir fanden sogar Sitzplätze und wurden mal wieder angestarrt vom Pärchen gegenüber und anderen Fahrgästen. Nach einiger Zeit wurde es sehr unbequem und irgendwann traute ich mich an meinen Freund anzulehnen (Achtung: Berührung!) und versuchte zu schlafen. Das gelang mir nicht besonders gut. Immer wieder kamen Männer vorbei, die laut ausschrien, was sie zu Essen anbieten wie z.B. Chai (Tee), Chips, Chocolate, Samosa, Veg Meal, Biriyani, Ice-cream etc. Der Zug wackelte auch ähnlich heftig wie bei einer Busfahrt auf den mit Schlaglöchern tapezierten indischen Straßen.

Während der Zugfahrt


Obwohl wir für den sogenannten ExpressZug mehr zahlen mussten, hielt er an jedem Bahnhof an und wartete dort oft lange bis ein anderer Zug vorbei fuhr. Nach 5 Stunden kamen wir dann endlich in Goas zweitgrößter Stadt namens Margao in Südgoa an.


In der Dunkelheit suchten wir eine Riksha, die uns eigentlich zum 6 km entfernten Busbahnhof bringen sollte, damit wir von dort nach Calangute fahren könnten. Die Fahrer sagten uns aber, dass um diese Zeit kein Bus mehr fahren würde. Wir trauten den Fahrern nicht und riefen lieber mal unseren Nachbarn an, der schon oft in Goa war. Schließlich sprach unser Nachbar selbst am Telefon mit dem Rikshafahrer – es war ein ewiges Hin und Her. Am Ende blieben uns nur zwei Optionen: Wir könnten uns ein Motorbike ausleihen. Das bringt gleich mehrere Probleme mit sich. Wir haben keinerlei Erfahrungen im indischen Linksverkehrschaos und es ist stockdunkel. Dann haben wir unser Gepäck und kennen den Weg nicht. Das trauten wir uns dann doch nicht zu. Die andere Möglichkeit war eine Motorriksha bzw. ein Taxi zu nehmen. Es war schon ziemlich spät und wir entschieden uns letztendlich für die Riksha. Der Fahrer bot uns die 60 km für 750 Rupien mit einer Stunde Fahrtzeit an. Laut Google Maps sind es allerdings nur 45 km und der Preis somit zu teuer, da 10 Rupien pro km ausreichend sind. Er brauchte auch nicht eine, sondern 1,5 Stunden, da die Riksha an jedem noch so kleinen Hügel schwächelte und der Motor lautstark im Schritttempo aufheulte. Wir baten den Fahrer an einem kleinen Imbissstand kurz anzuhalten, damit wir etwas kleines zu essen auf die Hand kaufen konnten. Doch er lies uns hungern und ignorierte die Stände am Straßenrand. Nach wiederholtem Bitten hielt er dann an einem großen Edelrestaurant – ohne Worte. Erschwerend hinzu kam, dass wir leicht bekleidet waren und der nächtliche Fahrtwind durch die offene Riksha blies.
Als wir in Calangute ankamen, wurden wir von Feuerwerk auf den Straßen, gröhlenden leicht bekleideten Menschen in Ekstase und Auto- bzw. Motorradkorso begrüßt. Der Grund war der soeben gewonnene Worldcup im Cricket gegen Sri Lanka. Einige Tage zuvor hatten wir das Spektakel schon einmal beim Halbfinale gegen Erzfeind Pakistan im sogenannten „Ind-Pak Cricket War“ miterleben dürfen. Während ein traditionelles Cricketspiel mehrere Tage andauern kann, wird zur Meisterschaft nur einen Tag lang gespielt. Cricket dürfte auch die einzige Sportart sein, in der es offizielle Mittags- und Teepausen gibt. Indien hatte auf dem Weg ins Finale den viermaligen Weltmeister und Titelverteidiger Australien ausgeschaltet. Es ist 28 Jahre her, dass die cricketverrückte Nation zuletzt die WM gewann.

Unser Rikshafahrer hielt mitten im Geschehen vor einem Pub. Das Public Viewing war noch aufgebaut, die Sitzplätze verlassen. Die Jungs führten uns in den rumpligen Hinterhof und zeigten uns stolz ihren AC Room (AC = Air conditionener = Klimaanlage). Das Bad war eine Katastrophe, aber es gab einen Flachbildfernseher, den wir hier am Strand in keinster Weise benötigten. Für eine Nacht wollten sie 1.000 Rupien haben. Wir fragten dann lieber nach einem Non-AC Room. Sie diskutierten und deklarierten den gleichen Raum auch als Non-AC. Mist, keine Hoffnung auf ein besseres Zimmer. Und ein anderes finden um Mitternacht, wenn Indien im Freudentaumel auf den Straßen herum läuft während wir hungrig und kaputt sind?
Trotzdessen, dass wir uns etwas unwohl dabei fühlten, wollten wir es nehmen. Ein kleiner Junge wurde das Bad sauber machen geschickt. Ich erkannte keinen Unterschied zu vorher, außer dass der Boden gewischt war.
Bei den Preisen schwankten die Jungs noch, schließlich nahmen wir es für 700 Rupien ohne AC. Der Fahrer musste ja noch seine Provision hinterm Rücken erhalten. Alle anderen Hotels wären viel teurer, ließ man uns wissen.
Zügig verließen wir unsere neue Übernachtungsmöglichkeit, um etwas Essbares zu finden. Die Menschen rannten immer noch, oft oberkörperfrei mit angemalten Gesichtern, durch die Straßen und schrien „India, India“. An einem kleinen Fastfood-Stand machten wir Halt und bestellten Egg Fried Rice und Egg Noodles. Wir staunten nicht schlecht, als wir dafür 100 Rupien hinlegen mussten. Das ist mehr als in unserem Mittelklasse-Hotel „Mighty“ und dort gibt es Klimaanlagen und wir müssen nicht stehen beim Essen. Aber bei Lebensmitteln handelt man ja in Indien nicht.
Als wir durch die nächtlichen belebten Straßen von Calangute liefen, sahen wir auffallend viele Weiße. Meist ältere Semester, die in Bars saßen und sich betranken. Alkohol, in Hindu Staaten streng reglementiert, ist hier billiger und freier erhältlich. Aber auch bei den Indern scheint Goa beliebt zu sein. Unser Nachbar kommt hier nur her, um Party zu machen, günstig viel Bier zu trinken und zu rauchen (keine Zigaretten). Ganz schöner Traditionsbruch, den die reichen indischen Studenten betreiben.

Ein Mann mittleren Alters winkte uns zu sich. Er bekam so gut wie kein Wort Englisch heraus und das lag sicher nicht nur an seinem Alkoholpegel. Er fragte wo wir herkommen, dann überlegte er eine Weile, plötzlich platzte es freudig aus ihm heraus: „Ähh, Hitler! ... Hitler-Germany!“ Dann wollte er mit uns Freundschaft schließen. Die Idee Handynummern zu tauschen, konnten wir ihm noch ausreden. Er stand auf, nahm Martin’s Hand und lief mit ihm die Straße entlang. Ein Anblick, sage ich euch. Jetzt wäre eigentlich ein guter Zeitpunkt gewesen, um zu flüchten. Nur wir hatten nichts Besseres vor und dachten er führt uns vielleicht noch irgendwohin, wo was los ist. Dann waren wir plötzlich am Strand und er steuerte auf ein Zelt zu. Da tanzten betrunkene männliche Inder. An der Bar kam dann der Grund für sein Freundschaftsangebot zum Vorschein. Er wollte sich von uns Bier ausgeben lassen. Nein danke. Wir flüchteten. Wenigstens die Wellen und der Strand bei Nacht empfingen uns herzlich.

Nach so einem Tag möchte man sich doch dann am liebsten in ein schönes kuschliges Bettchen legen und nur noch schlafen. Aber selbst im Dunkeln wirkte das Bett einfach abstoßend. Man muss dazu sagen, dass wir beide vom Dorf kommen und Dreck uns kein Fremdwort ist. Aber Kissen und Decke vertraute ich in keinster Weise. Ich versuchte so wenig wie möglich Berühungspunkte mit dem Bett zu haben. Als Decke diente mir mein Handtuch. Bis um 4 lag ich verkrampft da und konnte nicht einschlafen. Der Ventilator surrte laut und irgendwo tropfte Wasser. Auch Martin wachte wieder auf und zückte wutentbrannt das Mückenspray, weil er überall zerstochen war.

 

 

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