Freitag, 1. Juli 2011

47/ Nordindienreise – lange zum und kurz im Taj Mahal


Früh um 6.00 Uhr checken wir aus unserem Hotel in Delhi aus und steigen in den AC-Bus nach Agra ein. Es dauert einige Zeit bis wir die Stadt verlassen können, da wir noch mehrere Passagiere einsammeln und tanken müssen. Außerdem machen wir eine Frühstückspause und später noch mal eine, weil irgendetwas am Bus repariert wird.
Halb 1 sind wir schon einige Stunden im Zeitverzug. Plötzlich rattert etwas am Bus…es knackt. Wir halten irgendwo in der indischen Pampa zur stärksten Mittagshitze an. Alle Männer verlassen den Bus und schauen neugierig, was passiert sei. Keiner informiert uns, aber scheinbar ist ein Teil unten am Bus abgebrochen. Zum Glück spricht ein Mann Englisch: Ein Ersatzteil müsse aus der eine Stunde entfernten Stadt geholt werden. Er sagt, es seien noch 60 km bis nach Agra – das ist viel auf indischen Straßen, da man hier nicht rasen kann. Mit der Riksha würde es 2-3 Stunden dauern. Der Rikshafahrer macht uns ein Angebot für 1.500 Rupien. Wir sagen „650 und nicht mehr“. Zuletzt versucht er es mit 700 Rupien. Aber 3 Stunden in einer winzigen, langsamen, ruckligen Riksha zu fahren, ist es uns doch nicht wert. 



In Indien verewigt. 

Wir laufen die Straße entlang und suchen uns etwas zu essen. Zig mal versuchen wir eine der drei angegebenen Telefonnummern der Touristeninformation anzurufen. Die Busfahrt war schließlich in unserem „Rundum-Sorglos-Paket“ enthalten. Als ich endlich jemanden am Telefon habe, sagt er, es würde zu lange dauern ein neues Auto hierher zu schicken. Er habe die Information, dass der Bus in einer halben Stunde weiter fahren würde. Dann seien wir um 3 in Agra, können uns im Hotel frisch machen und ab um 5 das Taj Mahal sehen. Das wäre noch genug Zeit und es sei nicht mehr so heiß. Dass wir jetzt in der Hitze festsitzen, scheint ihn nicht zu stören.
Uns bleibt nichts anderes übrig als zu warten. Endlich kommt das Ersatzteil aus der Stadt. Aber…es ist das falsche! Während sie wieder losfahren, um ein anderes zu holen, fragen wir uns wie viel auf einer Reise eigentlich schief gehen kann. Wir scheinen das Pech förmlich anzuziehen. 


Affen in der indischen Pampa
Selbst ist der Mann

Wir rufen wieder in unserem Touristenbüro an. Martin versucht es noch diplomatisch und schildert ihnen unsere Situation. Nämlich, dass wir jetzt schon seit 9 Stunden unterwegs sind für 200 lächerliche Kilometer. Und dass wir jetzt ein Taxi wollen. Der Mann sagt, dass ein Taxi 3 Stunden aus Delhi brauchen würde und wir mit anderen Transportmitteln fahren sollen. Das hätten wir ja gemacht, aber wer bezahlt uns dann die Riksha? Keine Antwort… .
Ich übernehme das Gespräch – laut, energisch bis leicht gereizt: „Wir möchten jetzt hier von Ihnen eine Alternative angeboten bekommen.“ Er argumentiert hilflos, dass wir ihn nicht verstehen würden. „Ich weiß, dass es nicht ihre Schuld ist. Aber in Deutschland bezahlt man für eine Leistung und wenn etwas schief geht, dann sollte man bemüht sein den Kunden doch noch bestmöglich  zufrieden zu stellen.“ Ich erhöhe den Druck noch etwas: „Wir haben sehr viel Geld bezahlt (14.000 Rupien). Aber das Hotel war schlecht, der Bus ist kaputt und die Zugtickets haben sie uns auch zu teuer verkauft.“ (Sie waren zusammen getackert, so dass der eigentliche Preis nicht sichtbar war). Ich möchte auf der Stelle von ihm eine Lösung hören.
Mittlerweile ist der gute Mann so aufgeregt und spricht so schnell, dass ich kaum noch etwas verstehe. Nur dass er ja jeden Tag so viele Ausländer hat und dass wir immer nur von Geld, Geld, Geld reden würden. Lustig der Typ… Ok, ich schalte eine emotionale Stufe höher und frage verzweifelt: „Sollen wir hier in der Wüste die Nacht verbringen? Wollen Sie uns hier sterben lassen? Sie haben uns ein Versprechen gegeben, dass wir ab jetzt unseren Urlaub genießen können und alles für uns geregelt wird.“

Am Schluss sagt er, dass er in unserem Hotel in Agra anruft und sie uns das Geld aushändigen. Damit gebe ich mich zufrieden, denn der Mechaniker krabbelt soeben unter dem Bus hervor. 15.15 Uhr fahren wir endlich weiter. Halb 5 kommen wir am Taj Mahal an. Ja, Inder schaffen es tatsächlich für eine geplante 4-stündige Busfahrt (laut Google Maps 211 km - 2h, 42min) 11 Stunden zu brauchen.


Agra war lange Zeit die Hauptstadt des Mogulreiches. Wegen des Taj Mahals ist Agra eine der von Touristen am meisten besuchten Städte Indiens. Ein Großmogul ließ das Mausoleum (Grabmoschee) aus Marmor zum Gedenken an seine im Jahre 1631 verstorbene Hauptfrau erbauen. Seit 1983 ist das Taj Mahal Denkmal des UNESCO-Weltkulturerbes. 
Inder bezahlen 20 Rupien Eintritt, Ausländer 750. Dabei sind viele Inder bestimmt reicher als manche Ausländer oder arme Studenten wie wir. Das müssten wir mal so in Deutschland machen. Unsere Bauwerke von Ausländern finanzieren lassen. Aber in St. Petersburg war es ja genauso – nur konnte man da wenigstens versuchen sich als Russen auszugeben.  

Wir fliehen vor aufdringlichen Straßenverkäufern und stehen in der Schlange an. Martin wird nicht rein gelassen, weil er in seinem Rucksack einen Laptop, Essen und einen Textmarker hat. Er muss den ganzen Weg zurück zu einem Schließfach. Als er endlich wieder da ist, haben wir noch genau 45 Minuten, um das Taj Mahal zu besichtigen. Wir rennen mehr oder weniger durch das Gelände. Leider haben wir nicht genug Zeit uns ausgiebig an den prachtvollen Bauten und perfekt gepflegten Gärten zu erfreuen. 



Das Eingangsgebäude zum Areal des Taj Mahal


Wenn man durch das riesige Tor durchläuft und zum ersten Mal das Taj Mahal im Torbogen erkennt, raubt es einem den Atem. Das Taj Mahal gilt heute wegen der perfekten Harmonie seiner Proportionen als eines der schönsten und bedeutendsten Beispiele des Mogulstils in der islamischen Kunst. Beteiligt waren über 20.000 Handwerker. Über 1.000 Elefanten wurden zum Transport herangezogen, 28 verschiedene Arten von Edelsteinen und Halbedelsteinen wurden in den Marmor eingefügt. Die vier um das Hauptgebäude herum angeordneten Minarette sind leicht geneigt, damit sie im Falle eines Erdbebens vom Hauptgebäude weg stürzen.






Natürlich können wir selten ein Foto von mir machen ohne dass andere mit fotografieren. Ungefähr 20 Leute fragen sogar, ob sie ein Foto mit mir machen dürfen. Nein! Ich sollte echt Geld verlangen, aber für diese gute Geschäftsidee bleibt leider keine Zeit.



Durch die industrielle Luftverschmutzung verfärbt sich das Taj Mahal trotz aller Konservationsbemühungen gelb. Inzwischen dürfen sich Autos und Busse nur noch auf zwei Kilometer nähern.
Fortbewegungsmittel zum Taj Mahal
Blick vom Taj Mahal

Gerade noch rechtzeitig schaffen wir es zum Bus. Den kleinen Jungen mit den Schlüsselanhängern haben wir irgendwo auf dem Weg abgehängt. Als wir in Agra vor unserem Hotel stehen, trauen wir unseren Augen nicht: Ein Traum von einem Hotel. Zumindest ist es das beste, in dem wir je in Indien gewesen sind. Unser Gepäck wird getragen, das ganze Hotel ist voll klimatisiert, das Hotelpersonal scheint kompetent. Und was ganz außergewöhnliches: es gibt Klopapier, leise Ventilatoren, Seife, Shampoo, Internet und eine Minibar. Nach dem Besuch der Hotelwebseite wird uns auch klar warum das so ist: Eine Nacht kostet sage und schreibe 3.000 Rupien. Soviel hätten wir nie für ein Hotel ausgegeben, aber es war ja in unserem „toll-teuren“ Paket so drin. Als wir fragen, ob sie einen Anruf aus dem Touristenbüro erhalten haben, sagen sie nein – war ja klar.

Die Rezeption

Der Hunger führt uns in das teure Hotelrestaurant. Während die meisten indischen Kellner den Eindruck erwecken sie würden das zum ersten Mal machen, erwies sich die Bedienung hier als fähig. Allerdings ist es nicht gerade kundenfreundlich, wenn irgendwo auf der Speisekarte kleingedruckt steht: Steuern extra. Wie hoch auch immer die sein mögen. 


Wahlplakate in Agra


Am nächsten Tag sitzen wir gegen Mittag schon wieder im Zug Richtung Manipal. Mit unseren AC-Tickets hat zum Glück alles geklappt. Das Abteil ist angenehm kühl und sauber. Wir haben sogar Strom und schauen mit unseren indischen Sitznachbarn zusammen am Laptop Fast Furious 5. Zum Abendbrot gibt’s Egg Biriyani und Chai. Kurz nach 9 gehen alle ins Bett – wir kriegen sogar ein Kissen, Laken und Decke. Nachts sind die Männer laut, am Tag die Kinder. Schnarcher und Schreihälse bezirzen die Trommelfelle.

Die nette indische Familie, die uns gegenüber sitzt, lädt uns sogar zum Essen ein. Wir bekommen von all ihren unendlichen Essensvorräten eine ordentliche Portion ab. Sie kommen aus Mumbai und fahren mit der Familie nach Kerala in den Urlaub. Der Vater arbeitet als Bauingenieur und fragt interessiert nach dem Wirtschaftswachstum in Deutschland.

Gegen Mitternacht sind wir wieder zu Hause in unserer geliebten Wohnung in Manipal. Es ist ziemlich kühl - hier im Süden hat der Monsun bereits eingesetzt.


Wir haben insgesamt auf unserer Nordindienreise rund 6.000 km per Zug, Auto und Bus zurück gelegt. Das ist mehr als der halbe Weg bis nach Deutschland.

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