Sonntag, 17. April 2011

28/ Goa - Tag 1



Sonntagmorgen. Die Nacht war kurz, doch die Sonne lachte uns aus dem Bett. Calangute sah bei Tag ganz anders aus. Alles war kunterbunt und ein Stand reihte sich an den nächsten. Wir gingen keine paar Meter, schon wurden wir aufdringlich angesprochen etwas zu kaufen. Wir antworteten noch freundlich, dass wir Hunger hätten und erst einmal frühstücken möchten. Manche wollten uns ein Versprechen abringen wieder zu kommen, andere winkten uns her, sie wöllten uns unbedingt etwas erzählen. Auch die vielen „Taxifahrer“ nervten; ständig und überall wurden wir gefragt, ob wir ein Taxi brauchen. Nein, wir sind jung und gesund. Wir laufen lieber und schauen uns alles an. Der Strand ist eh nur wenige Minuten entfernt.

Kinder im Hinterhof

Kurze Info:
Die „Königin“ der Strände Goas ist Calangute  - der berühmteste und betriebsamste Strand in Goa. 
Der Tourismus in Goa begann in den späten 1960er Jahren mit der Ankunft einiger westeuropäischer Hippies an Goas Stränden. Es ist heute eher das Ziel von Pauschaltouristen und verursacht so den üblichen Rummel mit fliegenden Händlern, die von Schmuck über Kunsthandwerk praktisch alles verkaufen. Goa hat während Weihnachten und Silvester Hochsaison. Während in den letzten Jahren die meisten Touristen aus Großbritannien kamen, stehen dieses Jahr Besucher aus Osteuropa an der Spitze.

Dass Restaurants mit nicht-indischer Küche gesalzene Preise hatten, wussten wir. Aber auch die indischen hatten touristische Preise wie wir den Speisekarten entnehmen konnten. Zum Glück verfügen wir jetzt schon über genügend Erfahrungen wie viel etwas wert ist hier in Indien und gehen an den Urlaub nicht so blauäugig ran. Naja, Goas Pro-Kopf-Einkommen ist auch nahezu das Dreifache des indischen Durchschnitts. Goa ist damit der mit Abstand reichste Bundesstaat Indiens. Mit genug Geld kann man hier sicher einen schönen sorgenfreien Urlaub haben.
Dann fanden wir doch noch eine günstige kleine Absteige mit indischem Frühstück. Wir aßen Puri Bahji. Und dann ging’s nichts wie ab zum traumhaften Strand.

Menschenmassen am Strand; im Vordergrund eine Frau, die Taschen verkauft
verschiedenste Arten von Wassersport


Wir suchten uns extra ein vom Trubel entferntes ruhiges Plätzchen. Nur ein paar Weiße lagen in unserer Nähe. Von den Händlern wurden wir trotzdem nicht verschont. Alle paar Minuten fragten sie immer wieder, ob wir Interesse hätten an Wassersport, Taschen, Fotos, Eis, Schmuck, Trommeln, Ananas, Erdbeeren und sogar Büchern. Das ging den ganzen Tag so!
Dann folgte der für mich persönlich schönste Teil des Tages (wenn nicht sogar des gesamten Urlaubs). Ich ging zum ersten Mal hier in Indien ins Meer. Das Wasser war angenehm warm und die Wellen waren schön groß (vergleichbar mit meinen Ostseewellen auf Graal Müritz). Ich wollte gar nicht mehr raus und sprang gegen die Wellen und schwomm weit hinaus. Besonders schön war auch der feine weiße Sand. Kaum zu glauben, aber alles war sauber, keine Muscheln, keine Steine, keine Tierchen – selbst im Wasser nicht. Als ich jedoch zwischen die beiden Liegen griff, um meine Wasserflasche hervor zu holen, fiel mir etwas schwarzes felliges auf. Ich sprang auf und entdeckte einen Hund, der sich gemütlich unter unseren Liegen positioniert hatte. 



Im Anschluss an meine pure Sonnen-, Strand- und Wasserfreude folgten meine zwei absoluten Tiefpunkte.
Wenn keine Händler vorbei kamen, dann waren es männliche Inder, die möglichst nah an unserer Liege vorbei liefen. Die kommen nur hierher, um Weiße zu stalken. Na gut, das kannte ich ja schon von anderen Plätzen Indiens. Trotzdem fühlte ich mich ganz und gar nicht wohl dabei, wenn man im Bikini in der Sonne liegt und von komplett angezogenen Männern angestarrt wird.
Dann wollte ich mit Martin am entlegenen Teil des Strandes entlang schlendern - ich habe es bitter bereut! Da laufen männliche Inder in kleinen Grüppchen, dann zücken sie ihre Kameras oder Handys und halten voll auf alle (jungen) weißen Frauen (im Bikini). Ich dachte, ich muss ausrasten. Beim Strandspaziergang lief ich extra auf der Meerseite und wenn Inder kamen, versuchte ich mich so gut wie möglich hinter den Gott sei dank breiten Schultern meines Freundes zu verstecken. So krank! Wenn Blicke töten könnten - ich fixierte sie mit meinen Blicken, damit sie sich ja nicht trauen ein Foto zu machen. Besonders Dreiste bekamen von mir den Mittelfinger. Selbst in Klamotten ist man vor Fotos als Frau nie sicher und wird ständig angeglotzt. Männer haben es da mal wieder eindeutig leichter.
Alles wirklich sehr touristenfreundlich! Da sind wir extra an den touristischsten Strand Goas gefahren, weil hier soviel Weiße rumspazieren. Ich dachte hier sind die Inder etwas moderner, weltoffener und Weiße gewöhnt. So ein Reinfall... Dieser Tag und dieser Urlaub haben meinen tolerant-freundlichen Blick auf die Inder nachhaltig beeinflusst.
Nach diesen Ereignissen konnte nur das schöne blaue Meer meine Laune heben. Ich schnappte mir meine Kamera und knipste drauf los. Immer wenn eine Welle kam, sprang ich und hielt beide Arme mit der Kamera senkrecht nach oben, damit die Linse auch ja keinen Spritzer Wasser abbekam – das muss ein lustiges Bild abgegeben haben. Zufrieden mit meinen Schnappschüssen wollte ich gerade wieder aus dem Wasser gehen, da erfasste mich von hinten die gewaltigste Welle des ganzen Tages. Ich verlor meinen sicheren Stand und wurde in die Tiefe des salzigen Meerwassers gedrückt. Wieder auftauchend, schnappte ich nach Luft - in der rechten Hand hielt ich meine Kamera fest umklammert, mit der linken versuchte ich meinen verrutschten Bikini zu richten. Gerade wollte ich Martin um Hilfe rufen, da erwischte mich die nächste Riesenwelle und ich wurde erneut unter Wasser gespült. Ich bemerkte wie mein Haarband im Wasser neben mir schwamm, doch die nächste Welle riss es hinfort bevor ich handeln konnte. Geschockt von dem Geschehenen stand ich verloren im seichten Wasser. Mein Blick hing schmerzvoll an meiner geliebten Kamera und streifte durch das Wasser in der Hoffnung ein schwarzes Haarband zu entdecken.
Das Band war verschwunden, die nasse Kamera zuckte sich nicht mehr. Das Wasser hatte völlige Leere in mir und meiner Kamera hinterlassen.
Damit wollte ich den Strand nur noch verlassen oder gar den Urlaub abrechen, aber ein Hoffnungsschimmer war noch in mir. Zurück im Zimmer probierten wir sofort die SD-Karte am Laptop. Es funktionierte, die Bilder waren noch da! Wenigstens etwas ...

Eines der letzen Bilder


Diese Wellenbilder werde ich wohl immer mit gemischten Gefühlen betrachten. Traurig war ich weniger aufgrund des materialistischen Verlusts, der ideelle schmerzte. Wie soll ich denn meinen Blog weiter schreiben ohne Bilder? Und überhaupt...Bine ohne Kamera – unvorstellbar!


Als ich dann meinen sandigen Körper duschen wollte und aus der Duschbrause, die sonst aus allen Seiten bis auf vorne Wasser rausgespritzt hatte, kein Tropfen Wasser kam, wenn dann nur brennend heißes, wollte ich hier nur noch weg.
Schleunigst packten wir unsere paar Sachen zusammen. Als wir den Schlüssel abgeben wollten, folgte die nächste Überraschung. Wir sollten noch mal den gleichen Preis drauf zahlen, weil wir nicht rechtzeitig ausgecheckt hätten. Sonst lasse ich ja Martin oft reden, da man hier Männer als Gesprächspartner bevorzugt, aber diesmal konnte ich mich nicht zurück halten. Ich stellte mein liebes freundliches Wesen aufs Abstellgleis und redete mit lauter durchdringender Stimme auf sie ein: „Wir haben gestern erst um Mitternacht eingecheckt und niemand hat uns eine Auscheck-Uhrzeit mitgeteilt. Warum sollen wir für zwei Nächte bezahlen?“ Sie faselten etwas von einer Auscheck-Regel in Goa. Ich schimpfte weiter: „Das Bad war dreckig, das Bett war dreckig, wir hatten kein Wasser – diese Bude war niemals soviel Geld wert!“ Überrascht von einer Frau solche Worte zu hören oder weil sie merkten, sie kamen nicht durch, sagten sie dann „Ok, ok.“ und ließen uns gehen.
Das wär ja auch noch schöner gewesen. Ich war schon bisschen stolz auf meinen Erfolg, aber dieser Stress hätte eigentlich mal wieder nicht sein müssen. Wahrscheinlich muss man sich hier nur ordentlich durchsetzen zu wissen, aber nach entspannten Urlaub klingt das dann eher nicht.

Unser nächstes Ziel war Panaji, die Hauptstadt Goas. Die 16 km legten wir per Bus zurück. Am riesigen Busbahnhof angekommen, fehlte uns erstmal jegliche Orientierung in der fremden Stadt. Wir fragten nach einer Touristeninformation, aber man zeigte uns im besten Fall nur eine ungefähre Richtung. Wir rechneten uns ohnehin nicht viel Chancen aus, dass diese zum Sonntag auf hatte. 


Wie in Calangute musste man auch in der Hauptstadt regelmäßig flüchten vor den Taxifahrern. Alle paar Meter wurde man angesprochen – irgendwann gab ich auf Nein zu sagen und ignorierte sie nur noch.
Zum Glück fanden wir nah am Busbahnhof gleich ein Hotel. Uns wurden mehrere Zimmer ohne richtiges Klo gezeigt. Also indische Klos sind nur ein Loch, wir bestanden aber auf eine „Western Toilet“. Die gab es wiederum nur in den Räumen mit TV. Zumindest konnte ich Martin übereden auf die Klimaanlage mit Aufschlag zu verzichten. Das Zimmer inspezierten wir vorher ganz genau. Das Bad war dunkel, höchstwahrscheinlich keimig und stank. Das Zimmer war ganz schön, nur auf dem Bett waren viele Krümel. Wir baten sie das Bett noch mal frisch zu machen, aber wir wurden abgewiesen mit dem Argument, dass es heute früh gemacht wurde und niemand perfekt sei.
An der Rezeption zahlten wir dann die 700 Rupien, aber der Mann wollte uns die 300 Rupien Rückgeld nicht geben. Er war nicht älter als wir, aber konnte kein Wort Englisch, so dass es fast wieder „eskaliert“ wäre. Glücklicherweise sprangen andere Gäste ein und erklärten uns, dass es Kaution sei. Dann wies man uns verstärkt darauf hin, dass um 9 Check Out sei. Es waren ja überall Zettel angeklebt, wo das in roter Schrift eindeutig zu lesen war.
Was für ein Tag. Es war schon abends und unsere Bäuche knurrten gefährlich. Wir hatten den ganzen Tag nichts außer 1,5 Puris, ein paar Kekse und ein kleines Stileis gegessen. Diesmal hatten wir beide keine Lust auf „billiges“ indisches Essen. Wir kehrten in ein edles Restaurant ein. Auf der Terasse genossen wir die abendliche Aussicht auf einen Fluss, ließen uns vom Ventilator Luft zu wedeln und saßen urigst bequem in großen breiten Sesseln, die aus Weinfässern gezimmert waren. Eine wirklich tolle Idee. Sowas sollte es auch in Deutschland geben – alternativ zu den Mainstream-Ikea-Möbeln.
Die Speisekarte bot eine riesige Auswahl an indischen, chinesischen, goanischen und kontinentalen Gerichten. Wir wollten endlich mal wieder europäisch essen und versuchten die dementsprechend sau teuren Preise gekonnt zu übersehen. In froher Erwartung bestellte ich „Fried Chicken Crumps“ und Martin „Beef Stroganov“ für je 190 Rupien. Mein Essen war ein gebratenes Hünchenfilet mit Käse gefüllt, dazu Pommes, Reis und Gemüse. Martin traute sich zum ersten Mal auf indischen Boden Rindfleisch zu essen mit einer unwiderstehlich leckeren Soße dazu. Es schmeckte einfach köstlich, wir konnten nicht genug davon bekommen. Übrigens ist Goa (neben West Bengal) der einzige Bundesstaat in dem Kühe getötet werden dürfen und somit auch Kuhfleisch verkauft wird. Deswegen habe ich dort wahrscheinlich keine Kuh gesehen.
Leider war das Essen viel zu schnell alle und wir noch nicht gesättigt. Wir befanden uns gerade noch in unserem Geschmacksnerven-Rausch (wie wird das erst, wenn wir wieder in Deutschland sind) und bestellten gleich noch mal zwei teure europäische Gerichte.
Ich musste mir erst mal wieder gute Laune mit Hilfe von vorzüglichen Essen erkaufen. Ich hatte ja gerade erst meine teure, fast noch neue Digitalkamera ins Wasser geschmissen - da kommt es auf das bisschen Geld dann auch nicht mehr an.
Beim Essen nervte mich nur so ein toller Latino-Macho, der sein hübsches Anhängsel  allein am Tisch essen lies, während er ständig telefonierte und uns zurauchte.
Die Rechnung bezifferte dann 894 Rupien. Davon hätten wir in Manipal 10 mal essen können oder aber uns ein besseres Hotel leisten können. Aber auf dieses Geschmackshighlight hier in Indien möchte ich nicht verzichtet haben – wenn auch ohne ein einziges Beweisfoto.

Mit gut gefüllten Mägen waren wir bereit etwas zu erleben hier in der Hauptstadt. Wir spazierten durch Panaji in der Hoffnung auf eine Party oder etwas Ähnliches zu stoßen. Der Weg am Wasser entlang erinnerte mich irgendwie an St. Petersburg. Wir kamen an vielen Casinos und Restaurants vorbei, aber sonst gab es nichts.
Später im Hotelzimmer schauten wir noch etwas TV. Und das in der Hauptstadt des Partystaats Indiens. Das darf man eigentlich niemanden erzählen. Es kam Ice Age auf Englisch mit englischen Untertiteln, wahrscheinlich damit es auch jeder Goaner verstand. Ich legte mich wieder mit meinem Handtuch zu Bett und wollte schnell weit weg ins Land der Träume abtauchen.




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