Dienstag, 29. März 2011

23/ Unsere Probleme in Indien


Problem 1: Stromausfall

Während wir Januar bis Mitte Februar weitgehend verschont blieben, sind wir seit dem fast täglich geplagt. Wenn man die Leute hier nach den Gründen fragt, erhält man keine klare Antwort - höchstens zig verschiedene Mutmaβungen. Die plausibelste Antwort scheint mir zu sein, dass es einfach nicht genügend Strom gibt. Während in Deutschland im Winter der Bedarf an Strom wächst, sind es in Indien die Sommermonate. Sind die Ventilatoren und Klimaanlagen schuld? Oder ist es im Sommer schwerer ausreichend Strom zu produzieren?
Angeblich sind einige der Stromausfälle staatlich gesteuert. Demnach soll einmal am Tag, aber zu unterschiedlichen Zeiten, der Strom abgestellt werden - als Sparmaßnahme sozusagen. Noch eine Theorie: Die Bundesregierung in Neu Delhi soll angeblich manche Staaten bei der Stromverteilung diskriminieren und andere Bundesstaaten bevorzugen, die von der Zentralregierung näher stehenden Parteien regiert werden.
Für uns Deutsche sind die massiven Engpässe bei der Energieversorgung schwer nachvollziehbar. Ich ging davon aus, dass Wasserknappheit das drängendere Problem sei. Aber schon ein Blick auf unsere monatliche Abrechnung, befreit von diesem Denkfehler. Das Wasser gibts hier fast umsonst. Läuft man durch die Stadt, entdeckt man viele Stellen, um Leitungswasser zu trinken. Der Blick auf die Stromrechnung lässt einen eher in Ohnmacht fallen. Dazu kommt, dass wir es mittlerweile in der Wohnung nicht mehr aushalten ohne 24 Stunden den Ventilator und immer wieder die Klimaanlage laufen zu lassen. Die nächste Stromrechnung wird zitternd erwartet. Das schlimmste am Stromausfall der letzten Wochen war, dass unser "Inverter" (selbstladende Batterie am Stromnetz, die bei Stromausfall wenigstens für ein paar Stunden Strom bereitstellt) nicht funktionierte und der Stromausfall immer abends war. Meist noch kurz bevor wir unser Abendbrot in die Mikrowelle schieben wollten. Da hockt man in der dunklen schwülen Wohnung wie ein Steinzeitmensch. Geht man raus an die ebenso schwüle Luft, ist es auch stockdunkel. Wenn man nicht aufpasst, könnte es passieren, dass man in ein Loch purzelt, über Tiere stolpert oder in Kollision mit anderen Verkehrsteilnehmern gerät.
Nach tagelangen nervenaufreibenden Versuchen unseren Inverter reparieren zu lassen, funktioniert er jetzt endlich wieder. Allerdings nur, wenn wir unseren Kühlschrank vom Netz nehmen – die Batterieleistung ist nämlich zu schwach.


Problem 2: PC & Internet

Wer mit dem PC arbeitet, braucht eine ausfallsichere, unterbrechungsfreie Stromversorgung. Wir haben uns extra einen leistungsstarken Akku gekauft. Vielleicht lag es am Überhitzungsproblem des Laptops – auf jeden Fall war er plötzlich tot und nichts mehr zu machen. Das letzte bisschen Lebensstandard war uns entzogen worden. Wir fürchteten um unsere essentiellen Daten. Dank eines netten Klassenkameraden von Martin funktionierte er aber am nächsten Tag wieder einwandfrei.
Wir haben also jetzt einen funktionierenden PC und wir haben Strom. Da freut man sich wieder wie ein Kind. Das reicht zum Überleben für die kommenden Monate. Jetzt kann uns nichts mehr erschüttern. Falsch gedacht! Da blinken ein paar Lichter zu wenig am Modem. Ahhhhh, unser Internet geht nicht. Keiner weiβ warum - manchmal ist es einen Tag lang weg und nur ein paar Minuten verfügbar. Mein Blog verhungert. Liebe Menschen warten vergeblich an der Heimatfront auf erfrischende Skype-Konversationen. Martin leidet ohne News von SpiegelOnline. Eine Lösung ist nicht in Sicht. Dabei haben wir im Voraus soviel Geld für das bestmögliche Internet bezahlt, dass es fast für ein Jahr reichen würde.


Problem 3: Kühlschrank

Unser gebrauchter, aber lebensnotwendiger Kühlschrank war bisher unsere teuerste Anschaffung. Er hat uns jetzt schon das zweite Mal im Stich gelassen. Reparaturen ziehen sich ja hier über Tage hin. Man bekommt gesagt, heute wird jemand vorbei schauen. Dann kommt er hoffentlich mal morgen. Dann schaut er und geht wieder. Am nächsten Tag erzählt er uns woran es liegt. Wieder ein bis zwei Tage später nimmt er den Kühlschrank mit. Zwei Tage danach bekommt man ihn hoffentlich repariert wieder zurück. So, bis dahin ist sämtlicher Inhalt ungenieβbar und das Stück Butter hatte sich schön auf alle Etagen des Kühlschranks verteilt. Wir haben den Kühlschrank weniger als zwei Monate und mit den beiden Reparaturen bis jetzt noch mal den halben Einkaufspreis investieren müssen. Mal sehen, wann die nächste Reparatur ansteht. Obwohl jetzt so gut wie jedes Teil an dem Ding ausgetauscht ist.


Problem 4: Hitze

Es wird wärmer und wärmer. Schon früh halb 9 ist es unerträglich schwül. Wenige Minuten an der Sonne – und es kommt zu Schweiβausbrüchen. Kurze leichte Kleidung würde es vielleicht ertragbarer machen. Nur ist das einzige Körperteil, das hier nicht bedeckt ist, meist der Arm (ohne Schulter). Ich muss mich dem allgemeinen Kleidungsstil zwar nicht unbedingt anpassen, doch mache ich das mittlerweile freiwillig. Denn auf Arbeit herrschen gefühlte 10 Grad dank leistungsstarker Klimaanlage. Das heiβt frieren, frieren, frieren – ich erleide regelmäβig Kälteschocks. Bin ich froh, wenn ich dann zur Pause in die nur mit Ventilatoren belüftete stickige Cafeteria darf. Mitterweile habe ich eine Jacke am Arbeitsplatz. Aber scheinbar hat sie nicht geholfen. Ich habe mir tatsächlich im heiβen Indien bei 35 Grad einen Schnupfen geholt.


Problem 5: Tiere

Gut gelaunt ging ich letztens früh morgens aus der Tür. Da begrüβte mich doch im Treppenhaus eine tote Maus. Fast wäre ich drauf getreten. Bei solchen Begegnungen läuft es mir immer kalt den Rücken herunter. Obwohl eine tote Maus noch eines der kleineren Übel ist. Doch meine Gute-Morgen-Laune war angekratzt. Diese Tiere sterben aber auch wo sie wollen – ohne Rücksicht auf Verluste. Nachmittags bin ich auf dem Nachhauseweg gerade noch so einer toten grünen Schlange ausgewichen.
Regelmäβig dürfen wir an unseren Fensterscheiben echsenartige Tiere begrüβen. Martin beichtete mir jetzt, dass vor meiner Zeit so ein Vieh sogar in unserer Wohnung verkehrte. Und wir leben im dritten und letzten Stock des Hauses! Leider haben wir in der Küche ein groβes Loch in der Wand für den Ventilator. Keine Ahnung, warum da nicht mal ein Gitter angebracht wurde. Ameisen und Mücken sind hier wohl die kleinsten, aber nervigsten Probleme.



Problem 6: Lärm

An Straβenlärm, Hundebellen und Musikbeschallung aus den Nachbarwohnungen haben wir uns ja bereits gewöhnt. Aber seit einigen Tagen haben wir einen neuen Wecker. Er ist nur etwas überehrgeizig und weckt uns meist 2 Stunden vor unserem Handywecker. Leider kann man ihn auch nicht ausschalten, so dass uns ein extrem lautes durchgängiges Dröhnen aus dem Bett jagt. Das passierte auch schon abends und nachts, wenn wir uns gerade in der Einschlafphase befanden. Lange rätselten wir rum, was es sein könnte. Wir kamen zu dem Schluss, dass es irgendeine Maschine, wahrscheinlich auf dem Dach sein müsste. Da der „Hausmeister“ hier kein Wort Englisch versteht, wurden unsere Augenringe immer gröβer. Als es mal wieder abends los ging, begab Martin sich auf Spurensuche und er wollte erst wieder kommen, wenn er dem Übeltäter den Garaus gemacht hatte. Einige Zeit später kam er wieder und berichtete mir triumphierend, dass es sich um unseren Nachbarn handele. Dort war das Geräusch nämlich am lautesten zu vernehmen. Martin fragte ihn: „Hörst du das Geräusch auch?“ Da antwortete der doch tatsächlich: „Welches Geräusch?“ Es handelte sich um dessen Klimaanlage, die irgendwie kaputt und deshalb viel zu laut war. Wir baten ihn diese nicht zu unmenschlichen Zeiten anzuschalten. Einmal mussten wir noch gegen die Wand hämmern, danach trat es nicht wieder auf.


Das klingt nach vielen Problemen und diese zu beseitigen ist meist noch nervenraubender. Aber ich will mich nicht beklagen. Ich fühle mich hier sehr wohl und bin richtig heimisch geworden. Mit Martin an meiner Seite gleicht es schon einem Paradies.



1 Kommentar:

  1. Hi ihr beiden,
    immer wieder interessant zu lesen, was ihr so erlebt. Wobei ich mal feststellen muss, dass die obige Aufzählung nicht wirklich schwerwiegende Sachen sind (nicht für Indien, in Europa wär das sicher anders) - glücklicherweise ;)
    Bezüglich eurer tierischen Mitbewohner - nach dem Foto zu urteilen sind das kleine Gekkos, die keinem was tun - im Gegenteil, die befreien euch von (noch mehr) Mücken und Spinnen. Insofern solltet ihr euch also lieber mit denen verbünden :)

    Schöne Zeit noch, Bergfest habt ihr ja schon bald!
    Liebe Grüße vom pmTUC
    Conny

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