Montag, 14. März 2011

18/ Eine Indische Hochzeit


Hintergrundwissen

Im Leben eines Inders gibt es nur drei wirklich einschneidende Ereignisse: Geburt – Heirat – Tod.
Indische Heiraten sind der der Regel „arrangiert“, d.h. die Eltern der Brautleute haben sich darauf geeinigt, ihre Kinder miteinander zu vermählen. Je nach Orthodoxität und Strenge der Eltern haben die zu Verheiratenden mehr oder weniger Mitspracherecht und dürfen einen vorgeschlagenen Ehepartner auch mal ablehnen. Doch sie müssen wissen, dass mit zunehmendem Alter (vorrangig bei Frauen) auch der „Marktwert“ sinkt.
Liebe spielt bei der Auswahl des Ehepartners bei den traditionell gesinnten Indern keine große Rolle. Die Liebe, so sagt man, kommt mit den Jahren.
Zumeist wird nur innerhalb der eigenen Kaste geheiratet, dadurch ist die Auswahl schon erheblich eingeschränkt. Zudem werden die Geburtshoroskope der beiden zu Trauenden miteinander verglichen – erkennen die Astrologen einen disharmonischen Aspekt, wird die Heirat abgeblasen. Sind aber alle Hindernisse aus dem Weg geräumt, wird über die von den Brauteltern zu zahlende Mitgift verhandelt.
Die Hochzeit eines indischen Paares findet an einem astrologisch vorausberechneten Datum statt. Nur an solchen „glückverheißenden“ Tagen kann geheiratet werden. So kommt es, dass an manchen Tagen wohl in ganz Indien keine einzige Hochzeit stattfindet, an anderen wiederum der große „Run“ einsetzt.


Meine erste indische Hochzeit

Es ist noch nicht allzu lange her; ich saβ mal wieder in meine Arbeit vertieft am Schreibtisch, als plötzlich hinter mir jemand sagte: „Excuse me, ...“. Eine Frau und ein Mann standen da, von denen ich glaubte sie vorher noch nie gesehen zu haben. Sie sagten, sie möchten am 6. März heiraten und ich sei herzlich eingeladen. Das Paar überreichte mir einen Umschlag, auf dem mein Name stand. Darin befand sich eine hübsch gestaltete Einladungskarte.
Sweta bemerkte wahrscheinlich mein angenehm überraschtes bis ungläubiges Gesicht und wandte sich zu mir mit den Worten: „Kennst du sie? Das ist Sujatha, sie arbeitet im Software-Department und das ist Bijoor, er arbeitet im Imaging-Department.“ Mir ging ein Licht auf und ich bedankte mich für die Einladung zu meiner ersten indischen Hochzeit. So zogen die beiden weiter durch die Reihen, verteilten Einladungen und nahmen Glückwünsche entgegen.
Die Hochzeit selbst sollte am Sonntag um 9.00 Uhr im Sri Durgaparameshwari Temple im 30 km entfernten Mandarthi nördlich von Manipal stattfinden.

Mein Chef bot mir einen Platz in seinem Auto an. Das musste ich aber ablehnen, da Martin natürlich auch mitkommen sollte. Mr. Desai, den ich gerne als rührigen Firmenpapa bezeichne, organisierte uns sogleich eine alternative Mitfahrgelegenheit. Wir sollten mit den beiden Abteilungsleitern Manjunath (Imaging) und Sreekant auf ihren Motorrädern zur Hochzeit fahren.
Sonntagfrüh um 8 warteten Martin und ich in der Firma auf die beiden. Mit 25 Minuten Verspätung ging es dann los. Martin fuhr auf dem leistungsstärkeren Gefährt von Manjunath mit, ich bei Sreekant. Wir fuhren zum Tiger Circle, an der Universität und Bibliothek vorbei, Richtung Endpoint. Sreekant und ich quatschen fast die ganze Fahrt miteinander, wenn ich nicht gerade wieder filmte. Motorräder sind wirklich das schönste Fortbewegungmittel hier in Indien. Macht euch am besten selbst ein Bild:


 Start in Manipal: TC, Bibliothek, Universität

(Video bitte anklicken)



Bine auf dem Motorrad

(Video bitte anklicken)



Martin auf dem Motorrad







Mehrmals fragte mein Fahrer ohne Anzuhalten andere Motorradfahrer nach dem Weg oder verlangsamte etwas, um die Leute am Straβenrand zu fragen. Einmal hielt er sogar an, um mir die Cashew-Nussbäume von Nahem zu zeigen.

Kurz nach 9 kamen wir in Mandarthi an. Als wir den Hochzeitssaal betraten, hatte die Zeremonie noch nicht begonnen und wir nahmen auf zwei der vielen freien roten Plastikstühle Platz. Wie es schien waren wir 4 außer der Familie die einzigen Gäste. Dann erklang Musik in Form von Trommeln und der pompöse Bräutigam trat auf die Bühne. Wenig später folgte ihm seine Braut.

Mit Sreekant vor dem Tempel



Die Hochzeitszeremonie (Muhurtham) stellt eine komplexe Abfolge alter Traditionen und religiöser Riten dar. Die Durchführung und genaue Einhaltung der Reihenfolge obliegt dem Priester. Seine klaren Ansagen waren auch dringend nötig, denn weder Hochzeitspaar noch andere Involvierte wussten so genau, was als nächster Programmpunkt anstand.
Als erstes musste Sujatha ihrem Bräutigam die Füße waschen. Dann legten sie einander die großen Blumenketten um den Hals.



Rituell übergibt der Brautvater seine Tochter dem Bräutigam, indem er die Hände der beiden über einem Krug zusammen legt, segnet sie mit Gangeswasser und betet um den Beistand Gottes. Später knoten Frauen den Sari der Braut mit einem Ende des Schultertuchs des Bräutigams als Zeichen der ehelichen Verbindung zusammen. 


 
Der wichtigste Teil der Eheschließung sind die „Sieben Schritte“, die das Brautpaar um ein rituelles Feuer geht. Dabei ist die Braut mit dem Sari an den Bräutigam gebunden und geht hintenan – ein Hinweis welche untergeordnete Rolle die Ehefrau später zu spielen haben wird.
Schließlich tupft er ihr geweihte rote Farbe auf den Scheitel sowie auf die Stirn einen Punkt, den sie von nun an immer als wichtiges Segenszeichen der verheirateten Frau tragen wird. 

Die Braut muss in jedes des 7 Reishäufchen mit ihren Zeh tippen. Jeder Haufen mit einer Münze oben drauf hat eine andere Bedeutung.
auf dem Tablett pures Silber
 
Am Ende sollte jeder aus einer Schale Reis nehmen. Das Brautpaar wurde gesegnet, in dem man den Reis auf ihre Köpfe warf. Martin als geborener Linkshänder sorgte fast noch für einen Skandal am Hochzeitstag. Er nahm den Reis in die linke Hand und wollte schon werfen, da ging schnell jemand dazwischen und sagte ihm, er solle es in die rechte Hand nehmen. Die linke Hand darf in Indien nicht benutzt werden – auch nicht zum Essen – da sie als unrein gilt. 



Das Video zur Hochzeit



Dann folgten alle Anwesenden dem Brautpaar in den Tempel. Dort darf ja leider nicht fotografiert werden. Eine alte Dame verpasste mir einen dicken Strich auf die Stirn und ich bekam Blumen ins Haar gesteckt.
Wir wurden bestimmt gleich nach dem Hochzeitspaar am zweit meisten fotografiert. Teilweise konnte man den Eindruck gewinnen, dass das Hochzeitspaar eher für Fotos und Videos posieren musste, als sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.


Gegen halb 11 ging es auf die Dachterrasse des Hochzeitssaales. Dort gab es eine warme Zwischenmahlzeit für alle Gäste. Wir staunten nicht schlecht, als Bananenblätter auf die Tische verteilt wurden. Das war nicht etwa schöne Deko, sondern ein Tellerersatz. Jeder bekam etwas Wasser, um damit das Blatt mit den Fingern sauber zu reiben. War ich sonst immer bestens ausgestattet mit Essbesteck bzw. konnte ich mich vor dem Essen mit Händen drücken, blieb mir heute nichts anderes übrig. Es gab Idlis mit einer Soße und süßen Brei. Für einen blutigen Anfänger wie mich war dieses Mahl zu verzehren noch gut zu bewerkstelligen.



Bis zum zweiten offiziellen Teil der Hochzeit war noch etwas Zeit, deswegen machte sich unsere Vierer-Motorradgang auf den Weg zu einer weiteren Sehenswürdigkeit in der Nähe. Wieder ein Tempel. Das Weiß des Tempels funkelte nur so in der Sonne und vor dem satten Blau des Himmels. Auch der See war eine willkommene Einladung für schöne Erinnerungsfotos.



Dann schwangen wir uns wieder auf die Bikes und fuhren zu einem Hotel, in dem die „Reception“ stattfinden sollte. Unheimlich viele Menschen waren plötzlich da. Das Brautpaar hatte sich umgezogen. Er trug jetzt einen eher westlichen Anzug, sie wieder einen farbenfrohen glitzernden Sari. Sie nahmen auf der Bühne Platz. Dann begann für das Paar eine wieder bestimmt anstrengende Prozedur. Alle Gäste kamen nacheinander auf die Bühne und beglückwünschten das Paar. Gäste und Hochzeitspaar wurden auf unzähligen Fotos für die Ewigkeit festgehalten.
Jetzt war auch die halbe Firma da inkl. meiner Freundinnen und der Chefs. Meine Mädels lobten mich für mein Outfit. Es stach etwas heraus aus den traditionell schick zurecht gemachten Frauen mit jeder Menge KlimmBimm.


Dann stellte ich meinen Chefs Martin vor. Es herrschte Mal wieder klare Geschlechtertrennung – die Männer unterhielten sich, ich setzte mich zu den Ehefrauen. Aber gute Väter scheinen die Inder zu sein – die Kleinen immer bei Papa im Arm.

Tochter von Mr. Shanbhag
Tochter von Manjunath
Danach begaben wir uns runter in den Hof zur brennenden Mittagszeit. Wir mussten warten bis die Gäste der ersten Runde aufgegessen hatten. Dann wurde alles abgeräumt und wir kamen dran. Dabei wurde die Tafeln in eine vegetarische und eine nicht-vegetarische Sektion unterteilt. Dadurch saß ich weit entfernt von allen meinen Freundinnen. Dafür war mein Sitznachbar einer meiner Schüler und wir unterhielten uns prächtig. Ich klärte ihn über die alkoholischen Unterschiede zwischen Deutschland und Indien auf. Er erzählte mir von seiner Frau, die zurzeit in Bangalore bei ihren Eltern leben würde, damit diese sie mit dem Kind unterstützen. Und er möchte mir auch einen Sari schenken – ich weiß ja nicht mit wie vielen Saris ich dann aus Indien ausreisen werde. Ich hoffe der Zoll hat nichts dagegen, wenn ich dann in Chemnitz mein eigenes Sarigeschäft aufmache. Aber ich kriege das doch eh nicht gebacken die anzuziehen bzw. fehlt die Geduld für ein stundenlanges Anziehprozedere.
Das Mittagsessen auf Bananenblättern war sehr lecker - was vielleicht auf an dem hohen Chicken-Anteil lag. Ich kann jetzt sogar so einen komischen Reisfladen (White Dosa) mit nur einer Hand in Stücke zerteilen. Zum Nachtisch gabs Eis und mein Liebster schaffte es mir unter der Hand noch ein zweites davon zu organisieren.


Nach Beglückwünschung und großem Essen erwartete ich ja jetzt die mega Hochzeitsparty. Falsch gedacht! Hiermit war es zu Ende. Die Gäste waren also alle nur zum Essen gekommen. Wieder nichts mit Tanzen.
Meine Chefs boten Martin und mir an uns im Auto mitzunehmen. Auf dem Weg entdeckten wir sogar unsere erste indische Ampel. In Udupi wurden wir noch in ein Restaurant eingeladen. Schon wieder essen! Wir saßen im AC-Raum (mit Klimaanlage). Auf der Speisekarte waren die Preise in AC-Preise und ohne unterteilt. Auf Empfehlung meiner Chefs nahm ich so einen „special“ Eisbecher. Der war jetzt nicht so herausragend – besonders die darin enthaltenen Nudeln waren gewöhnungsbedürftig.
Dann ging es weiter zum Haus von Mr. Shanbhag. Die Familie von Mr. Desai, Martin und ich betraten das Haus. Wenige Minuten später stand mein Chef plötzlich in Jogginganzug vor mir.
Martin verstand sich besonders gut mit dem Opa und wir wurden stolz durch das ganze Haus geführt. Im Gegensatz zu Deutschland präsentiert man hier jedes Zimmer – selbst alle Schlafzimmer sollen die Gäste betreten. Im Haus stand (für meinen Geschmack) jede Menge Kitsch rum. Aber Inder sind ja gerne so. Ich bestaunte trotzdem alles anerkennend – höflich wie ich bin. Im Garten fanden wir einen riesigen, mehrere Meter breiten Brunnen und viele exotische Obstbäume vor.




















Im Fernsehen lief Cricket – Indien gegen Südafrika. Wir setzten uns zu Tisch um zu essen - mal wieder. Plötzlich waren dann alle weg, während ich noch gar nicht fertig war mit essen. In Indien essen sie halt sehr schnell, ich bin dagegen eine Genießerin mit jedem Bissen.

Es war schön und fast eine Ehre so ganz spontan zu meinem Chef eingeladen zu werden. Wieder waren wir ein Stückchen näher am indischen Lifestyle. Danach fuhr uns Mr. Desai noch direkt vor unsere Tür.
Das war der vielleicht bisher erlebnisreichste Tag in meinem schon 1,5 Monate andauernden Indienabenteuer.



PS. Nicht wundern über verspätete Blogeinträge, aber wir haben hier zurzeit täglich ziemlich schlimme Probleme mit Stromausfall und fehlender Internetverbindung.



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