Samstag, 26. März 2011

22/ Deutschland vs. Indien


Der Test

Letztens habe ich mit meiner kleinen, aber feinen deutschinteressierten Klasse ihren ersten Test geschrieben. Ich musste den Test ein paar Mal verschieben wegen unvollständiger Anwesenheit. Irgendwann hatte ich dann endlich von jedem die 2 ausgefüllten Seiten. Der Test erhitzte die Gemüter und war einige Zeit Gesprächsthema Nummer 1. Sie zweifelten beispielsweise gerne lautstark an der Deutsch-Kompetenz des anderen. Der Test schien ihnen wichtig, denn ich wurde ständig nach den Ergebnissen gefragt oder ob sie bestanden hätten. Mehrfach musste ich sie auf die nächste gemeinsame Unterrichtsstunde vertrösten. Dann behauptete ein Chef auch noch, dass der andere Chef gemogelt hätte. Was so ein Test nicht alles anrichten kann. :)
Dieser bestand aus zwei Teilen: Fakten über Deutschland allgemein und die sprachlichen Aufgaben. Wesentliche Fehler: Die Tschechische Republik ist kein deutschsprachiges Land und der deutsche Schäferhund ist nicht auf unserem Wappen zu sehen.
Insgesamt konnten sie 103 Punkte erreichen. Laut deutschem Notensystem fiel der Test ausgewogen aus, mit Noten von 2 bis 5. Dass mein Chef nur zweitbester nach Sweta war, war für ihn schwer zu ertragen. Er behauptete, sie hätte einfach viel mehr Zeit als er. Ach ja, Lachen ist im Deutschunterricht vorprogrammiert.
Als kleine „Belohnung“ für den absolvierten Test habe ich ihnen einen Videoclip gezeigt. In diesem wird Indien mit Deutschland verglichen. Das Video zeigt aber die deutsche Sicht und ist teilweise etwas überspitzt dargestellt. Nichtsdestotrotz sagt es einfach mehr als tausend Worte und meine Schüler sind ja zum Glück humorvoll. Danach drohte mir der Chef allerdings scherzhaft mit: „Punishment“.


Der Unterricht

Ich habe einen neuen Schüler in meiner Klasse begrüβen dürfen. In kürzester Zeit hat er den ganzen Stoff aufgeholt und mich eifrig mit Fragen gelöchert. Unglaublich, aber jetzt ist er Klassenbester. Es ist gar nicht so einfach mit einem Spitzenkandidaten. Er will alles bis ins kleinste Detail wissen und wenn ich Fragen stelle, ist er meist der Antwortende. Beispielsweise hatte ich die Zahlen noch nicht im Unterricht behandelt. Da präsentierte er mir letztens stolz alle Zahlen von 1 bis 10 in seinem Heft und las sie sogleich mit fast korrekter Aussprache vor. Um sich die Aussprache der einzelnen Wörter besser einprägen zu können, hilft ihm das Sanskrit-Alphabet. Mit ungefähr 50 Buchstaben lassen sich damit bestimmt leichter Laute verschriftlichen als mit den 26 Buchstaben des lateinischen Standard-Alphabets. Ende April wird er dann einen Monat in den USA sein. Er hat mir schon angekündigt, dass ich mich auch in dieser Zeit auf Fragen und deutsche Skype-Konversationen einrichten kann.
Bei den deutschen Skype-Unterhaltungen musste ich allen öfters predigen nicht den Google Translator zu benutzen. Damit prägen sie sich nur falsche Sachen ein und sind noch mehr verwirrt.

Schwierig ist für meine Schüler sich mit der Groβschreibung im Deutschen anzufreunden. In „Guten Morgen“ schreibt man „Morgen“ groβ, aber in „Bis morgen!“ klein. Ebenso werden uns die Unterschiede in der Aussprache und der damit verbundenen Schreibweise noch lange begleiten und viel Übung benötigen. Statt „Guten Morgen.“ schreiben sie zu gern „Guten Morgan.“.
In Indien wird gerne „Sir“ oder „Mam“ benutzt, um eine Respektsperson anzusprechen. Das gibt es im Deutschen nicht. Wir sagen nur Herr Soundso. Lustig ist es, wenn sie mich „Frau Sabine“ nennen.
Kompliziert sind auch die vielen deutschen Formen von „you“: du & Sie im Singular und ihr & Sie im Plural. Duzen und Siezen von Indern ist nicht immer ganz so einfach. Einer meiner Schüler heiβt beispielsweise „Shivaprasad“. Das ist sozusagen Vor- und Nachname in einem Wort.
Als wir bei dem Verb „heiβen“ waren, wollte einer gerne wissen, was „What’s the name of the boss?“ auf Deutsch heiβt. Ich musste sogleich innerlich grinsen, als ich an die Tafel schrieb: „Wie heiβt der Chef?“. Das Wort „Chef“ gibt es nämlich im Englischen auch, dort bedeutet es allerdings „Koch“. Ihr könnt euch sicher denken, was für einen Spaβ sie jetzt hatten und immer wieder fragten „Wie heiβt unser Chef (Koch)?“. Antwort: „Unser Chef (Koch) heiβt Mr. Desai!“.

Wenn ich ihnen Wissenwertes über Deutschland erzähle, vergleiche ich das gerne mit Indien:
Mit 81,8 Milionen Einwohnern ist Deutschland zwar Europas bevölkerungsreichstes Land, steht aber weltweit nur auf Platz 15. Wohingegen Indien mit seinen 1,2 Milliarden Bewohnern nach China das weltweit zweit bevölkerungsreichste Land ist.
In einer anderen Stunde berichtete ich meinen Schülern über Deutschlands Demografieproblem. Schlieβlich haben wir eine der geringsten Geburtenraten der Welt und unsere Bevölkerung wird (abhängig von der Einwanderungsrate) bedeutend sinken. Indien ist wieder mal das komplette Gegenteil. Während China ein Durchschnittsalter von 35 Jahren hat, kann Indien mit einem unter 25 Jahren glänzen. 



Punkten können wir allerdings mit unserer Alphabetisierungsrate von 99 %. Indien hat nur 64,8 %, wobei 75,3% auf die Männer und 53,7 % auf die Frauen fallen.

Die gröβte nationale Gruppe mit Migrationshintergrund in Deutschland ist die Türkei (2,5 Millionen), gefolgt von Italien (776.000) und Polen (687.000). Das sind ziemlich wenige, wenn man dagegen vergleicht wie viele „Deutsche“ sich in anderen Ländern rumtummeln. Menschen mit voller oder erheblicher deutscher Abstammung sind vorrangig in den USA (50 Millionen), Brasilien (5 Millionen) und Kanada (3 Millionen) zu finden.

Im Gegensatz zu indischen Metropolen sind unsere gröβten Städte eher kleine Dörfer. 



Während die Inder mehrere Sprachen beherrschen müssen, um sich untereinander zu verständigen, sind die Deutschen scheinbar nicht so vielfältig. 67% geben an in einer oder mehr Fremdsprachen kommunizieren zu können. Nur 27% sind fähig in mindestens zwei anderen Sprachen zu sprechen.


Jeden Tag freue ich mich erneut auf meine Klasse. Laut Martin können sie jetzt schon besseres Deutsch sprechen als die Studenten an der Uni.
Und liebe Deutsche, lernt Sprachen!


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