Dienstag, 22. März 2011

20/ Holi - Das Fest der Farben


Holi ist ein lautes und fröhliches Straßenfest, mit dem der Frühlingsanfang gefeiert wird. Es ist das populärste und farbenprächtigste indische Fest – seit meiner Ankunft hier in Indien habe ich diesem Tag entgegen gefiebert.
An Holi wird ein Feuer entzündet. Diese rituelle und symbolische Verbrennung geht auf eine Legende zurück, in der es um einen Streit um die "richtige" Religion ging, der zwischen dem Prinzen Prahlada und dessen Vater ausgetragen wurde. Prahlada verehrte Vishnu, während sein Vater einen Dämonenglauben praktizierte. Der Streit konnte nicht beigelegt werden und schließlich sollte mit Hilfe des Feuers entschieden werden, welche Religionsausübung die richtige sei. Prahlada musste mit Holika (in einer Version die Schwester des Königs, in einer anderen Version ein weiblicher Dämon) einen Scheiterhaufen besteigen. Zunächst sah es so aus, als würde Holika diesen "Religionskampf" gewinnen, da sie durch einen Zauber beschützt wurde. Jedoch kam der Vishnu dem Prinzen Prahlada zu Hilfe und Holika verbrannte.
Holi wird in Nordindien besonders ausgiebig gefeiert. Bei uns in Manipal würden nur die Studenten das Fest der Farben zelebrieren, erklärten mir meine Arbeitskolleginnen.
Ganz blauäugig sollte man das Fest der Farben nicht zelebrieren. Dank Internet und Tipps erfahrener Holibesucher waren wir gut informiert. An diesem Tag sollte man unbedingt alte und wenn möglich auch lange Klamotten tragen. Mit T-Shirt und Jogginghose von Martin war ich bestens ausgerüstet. Die noch freien Körperstellen wurden sorgfältig eingecremt.
Gegen halb 10 standen wir auf einer riesigen Grünfläche. Wir schienen die Ersten zu sein. Kurze Zeit später tauchte eine mit bunten Farben beschmierte und Wasserpistolen bewaffnete Jungstruppe auf. Fröhlich ausgelassen bis angriffslustig gaben sie sich Farb- und Wasserschlachten hin.  Ich fürchtete jeden Moment Teil davon werden zu müssen, aber sie hielten sich vorerst noch zurück. Ein Wasserhahn auf dem Platz sollte Mittelpunkt der Geschehnisse werden. Dort wurden die Wasserpistolen aufgefüllt, Farben angemischt und wilde Schlachten zelebriert. Es war ein Drahtseilakt gleichzeitig nah dran am Geschehen zu sein, um alles mit meiner Kamera festzuhalten, und dabei nicht von Farb- und Wasserwerfern erwischt zu werden. 

 
Doch dann sah ich eine knallbunte farbverschmierte Mädelstruppe auf das Gelände kommen und ich ahnte Schlimmes. Hatten die Männer mich bis jetzt in Ruhe gelassen, steuerten die Mädels beim Anblick einer noch „Unbefleckten“ direkt auf mich zu. Zwar fragten sie eher rhetorisch, ob es mir etwas ausmachen würde - dann wurde ich voll eingeseift. Ich wusste ja, dass ich nicht drum herum kommen würde. Schließlich wünschten sie mir noch ein „Happy Holi!“.

 
Martin stürzte sich ins bunte Getümmel. Ich versuchte alles festzuhalten ohne meine Kamera zu sehr zu gefährden. Das gelang mir bis mich die kleinen Jungs ins Visier genommen hatten. Sie hielten etwas in ihrer Hand und deuteten an, mich damit bewerfen zu wollen. Ich hielt es für eine Wasserbombe und drehte ihnen vorsichtshalber lieber den Rücken zu. Es vergingen noch einige Sekunden - dann ein lautes Geräusch des Aufpralls und ich verspürte an meinem Rücken einen stechenden Schmerz. Hatten die mich doch tatsächlich aus nächster Nähe mit einem Ei beworfen! Doch ihre Absicht misslang. Das Ei zerplatzte erst als es auf dem Boden aufprallte. Ich erholte mich noch von dem Schock, da sah ich wie einer der Jungs Martin ein Ei mit voller Wucht auf den Kopf schlug. Bereitwillig ließ er es über sich ergehen und präsentierte anschließend seine schleimige Gelfrisur.

Martin wird mit der Wasserpistole beschossen
 
Es kamen immer mehr Leute. Mit kindlicher Freude gaben sie sich den Farb- und Wasserspielen hin. Bei den meisten konnte man kaum noch die ursprüngliche Haut- oder Haarfarbe erkennen. Da sind wieder alle Menschen gleich.
Die strengen Kastenregeln des Hinduismus sind zu Holi zeitweise ganz aufgehoben. Es ist der Tag im Jahr, an dem man über die Stränge schlagen darf. Alle Schranken durch Geschlecht, Alter und gesellschaftlichen Status scheinen erloschen.


Viele verpassten uns immer wieder neue Gesichts- und Haarfarben oder wir wurden mit Wasser überkippt. Die trockenen Farben leuchten bunt und sind leicht loszubekommen. Die nassen kleben wie eine zweite Haut.
Ein pinker Mensch namens Martin stand plötzlich vor mir. Pink war neben einem sehr dunklen Blau die vorherrschende Farbe auf dem Platz. Martin startete mehrere Versuche auf eine andere Farbe umzuschwenken - es blieb bei seiner schönen pinken Grundierung. 


Dann musste ich beobachten wie es unter Männern Ritual ist einen in ihrer Mitte komplett einzuseifen und dabei die Klamotten vom Leib zu reißen – im wahrsten Sinne des Wortes. Hosen und Hemden wurden zerfetzt und dann voller Stolz auf einen naheliegenden Baum geschleudert. Deswegen liefen am Ende alle männlichen Teilnehmer in Unterhosen herum - die Farbe lenkte von der Nacktheit ab. Teilweise konnte das Spektakel für Außenstehende etwas befremdlich oder brutal wirken. In Wirklichkeit war es nur eine gesteigerte Form von ausgelassenem Feiern und Spaß haben.


Das Fest soll auch für Annäherungsversuche zum anderen Geschlecht berüchtigt sein. Während Martin und ich immer streng darauf achten uns in der Öffentlichkeit nicht zu berühren, konnten wir hier eindeutig einige (illegale) Pärchen ausmachen.


Wir gönnten uns unter dem schattigen Zelt eine Pause. Es gab süßen Limonensaft und Süßigkeiten. Das Fest verlagerte sich langsam vor die großen Boxen und alle tanzten ausgelassen. Leider waren Martins Kommilitonen wieder mal nicht anwesend oder wir erkannten sie einfach nicht. Jedenfalls mischten wir uns in die Menge und einer brachte uns indisches Tanzen bei. Einfach ein bisschen rumwackeln und Arme in die Höhe.



Das Video zum Spektakel



 
Dann verließen wir das Schlachtfeld. Wir besorgten uns etwas Kaltes zu trinken sowie Eis und legten uns erschöpft auf eine Wiese in den Schatten und dösten. Heute war schließlich alles erlaubt. Martin nutze seine schwarze Tasche als Kopfkissen – seine Haare färbten ab. Und was soll ich euch sagen, später lief tatsächlich ein pinker Martin mit einer pinken Tasche durch Manipal. =)

Ich bin ja dafür, dass wir ein Fest der Farben auch in Deutschland feiern!

Wieder zu Hause wurden die Klamotten gleich für die Wäscherei bereit gelegt und ab ging’s unter die Dusche. Schock: Die Farbe ging nicht ab – jedenfalls nicht ganz. Vor allem bei Martin blieb viel hängen, der vorher über und über mit mehreren Schichten nasser Farbe geplastert war.
Ursprünglich entstanden die Farbpulver aus bestimmten Blüten, Wurzeln und Kräutern, die heilend wirken. Heute kommen häufig synthetische Farben zum Einsatz, die teilweise sogar schädlich sein können. Auβerdem gehen die viel schwerer ab.
Tage danach erkennt man noch, wer Holi gefeiert hat und wer nicht. Bei heller Haut sieht man es natürlich wesentlich deutlicher. Ich kann mir mein Grinsen nicht verkneifen. Der arme Martin darf jetzt noch ein paar Tage mit rosa Gesicht, Hals, Ohren, Bart, Händen und Fingernägeln rumrennen. Die Farbe aus Martins T-Shirts ging übrigens auch nicht raus.




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