Freitag, 18. März 2011

19/ Revels – Indiens Nachwuchstalente

Letzte Woche hatte Martin ab Mittag keine Uni, da zu dieser Zeit das „Revels“ stattfand - das jährliche Kultur- und Sportfest des Manipal Institute of Technology. Das Festival erinnert an Poeten, Künstler, Musiker, Sportler, die die Welt bereichert haben, in dem sie die Menschen an ihrem Talent teilhaben lieβen.
Vier Tage voller Wettbewerbe, Spaβ und Kennenlernen von Neuem. Der Selbstverwirklichung waren keine Grenzen gesetzt. Es war für jeden etwas dabei. Sportler, Sänger, Musiker, Schreiber, Debaters, Vortragskünstler, Tänzer, Bands, Maler und Models – vereint sorgten sie für Sternstunden der Kultur.

 
Das Programm war vollgepackt mit Events und jedem Tag wurde eine bestimmte Farbe zugeordnet. So kam es, dass die meisten mal rot, blau, grün oder schwarz gekleidet waren.
Der erste Programmpunkt auf unserer Liste war ein Theaterwettbewerb. Ein kleiner Theaterraum sorgte für die richtige Atmosphäre. Das einzige Hörbare, das wir wahrnahmen, waren die lauten Lacher des Publikums. Auf der Bühne wurde geschwiegen, denn alle Kurzstücke wurden ohne eine einzige Zeile Text aufgeführt. Dafür umso mehr Emotionen, starke Gestiken und Mimiken untermalt mit stimmiger Hintergrundmusik.
Vom ersten Stück bekamen wir nur das Ende mit. Uns war aber sofort klar worum es ging. Zwei Männer stellten in einer Art Komödie Alltagssituationen eines (indischen) Ehepaares dar. Die Körpersprache sagte mehr als tausend Worte. Ich machte mir ernsthaft Gedanken wie denn zwei Männer eines technischen Studiengangs sich, auf Deutsch gesagt, freiwillig so zum Affen machen konnten. Und das im positiven Sinne – sie waren wahrhaft glaubwürdig.
In einem zweiten grandiosen Stück ging es um einen Einbrecher, der Freude daran hatte, Masken mit verschiedenen Gesichtsausdrücken aufzusetzen. Am Ende bekam er die grinsende Maske nicht mehr ab. Nun spielte er Wut und Verzweiflung – alles mit einem perfekt grinsenden Gesichtsausdruck.
In einem anderen Stück gab ein Schriftsteller seiner Hauptfigur immer wieder andere Bestimmungen. Nie war er zufrieden. Das Ganze geriet auβer Kontrolle und die Hauptfigur tötete den Autor. Sein eigener Roman hatte ihm das Leben gekostet.
Es war berührendes Theater von der ersten Sekunde an. Die Theaterstücke waren übrigens alle selbst verfasst.
Wieder was gelernt: Berührungsängste und Peinlichkeitsempfinden scheinen Inder nicht zu besitzen. Hochprofessionell und mit einer gewissen Lockerheit gaben sie ihr Talent zum Besten. So ein Event wäre vielleicht schon aufgrund fehlender Teilnehmer an deutschen (technischen) Universitäten schwer vorstellbar.

Als nächstes stand ein Gesangswettbewerb auf dem Programm. Die Solokünstler traten in der Kategorie „Westliche Musik“ an. Die Akustik im Hof war wunderbar. Schatten und ein lauer Luftzug verhinderten übermäβige Schweiβausbrüche. Nur die „Moderatorin“ störte die Wohlfühlatmosphäre, die mit schrecklich laut krechzender Stimme lange Nummern statt Namen der Mitwirkenden vorlas und sich nach jedem Song genötigt fühlte ihre Meinung zum besten zu geben. „That was sooooo beautiful!!!!“, sagte sie immer wieder.
 
Danach nutzten wir die Zeit, um uns das ganze Areal genauer anzuschauen. Zugegebenermaβen erinnerte mich alles irgendwie an die Schulfeste zu Grundschulzeiten. Überall waren kleine Tischchen aufgestellt – dort konnte man sich an verschiedensten Spielen beteiligen. Um nicht gar als Spielverderber dazustehen, spielte Martin etwas nach seinem Geschmack (im wahrsten Sinne des Wortes). Bevor es losgehen konnte, mussten wir erst zu einem anderen Stand und ein Ticket für das Spiel kaufen: 10 Rupien. Die Spielregeln waren einfach: 2 Liter Wasser trinken ohne die Flasche abzusetzen. Mit einem breiten Grinsen sagte Martin zu mir „Ich hab ja eh Durst.“ und setzte die Flasche an. Mit einem unglaublichen Zug stürtzte er das Wasser hinunter. Um Martin bildete sich eine Menschentraube, die dem „Weiβen“ fasziniert zusahen. Einer sagte hinter mir: „Ich möchte gerne wissen, wie viel Bier er trinken kann.“. Bis zum letzten Tropfen – dann war es geschafft. Als Preis gab es eine winzige Tüte Chips im Wert von 10 Rupien.
Ein sehr blasser Martin mit aufgequollenen Augen wankte jetzt vor mir. Er hielt sich seinen Bauch: „Einfach zu viel Wasser“, stöhnte er.

Die erste der beiden 1-Liter-Flaschen
 
Beim Gesichtsmalwettbewerb wurde ich ebenfalls an meine Kindheit zurück erinnert. Da saβen auf einem groβen ausgebreiteten Teppich erwachsene Menschen, die sich bunte Farben ins Gesicht kleisterten. Ein Team bestand aus je zwei Personen. Der Fantasie waren keine Grenzen gesetzt. Nach einer Stunde wurden Kreativität und Ästhetik bewertet.


Im "Quadrangle", einem groβen abgeschotteten Innenhof des MIT, sollten weitere Events wie Tanzwettbewerbe und ein Bandcontest stattfinden. Problem: Nur wer eine Identity-Card hatte, durfte da rein. Aber versuchen kann man es ja mal. So wie in einer deutschen Disco lief das leider nicht - wo Minderjährige hoffen können, dass man aufgrund seines weitentwickelten Äuβeren nicht kontrolliert würde. Hier in Indien musste jeder einzelne seine Karte vorzeigen. Martin lief vor mir Richtung Kontrolleure. Er kramte wohl etwas zu lange in seiner Tasche auf der Suche nach der ID-Card herum, denn sie fragten: „Isaac?“ Irgendwie hatte wir schon mal davon gehört und bejahten hoffnungsvoll. Problemlos wurden wir durchgelassen. „Stop!“, ich wurde von zwei Damen angehalten. Taschenkontrolle. Ich fragte vorsichtig, was denn nicht erlaubt sei und dachte dabei an Waffen etc. Sie antworteten: „Essbares.“ Tja, was soll ich sagen, der Hauptinhalt meiner Tasche bestand aus Nahrungsmitteln. Ich rief Martin zurück und wir sahen uns ratlos an. Plötzlich hieβ es: „It’s ok. Aber bitte sagt es keinem.“  

Drinnen angekommen erwartete uns eine groβe Menschenmenge, die sich vor Essensständen oder der Bühne befand. Der Tanzwettbewerb war in vollem Gange und die Stimmung schien dem gröhlenden Publikum zu Folge ausgelassen zu sein. Beim Revels war Alkohol übrigens verboten gewesen. 
  Einzeltanz

Gruppentanz

Bandwettbewerb



Zwei glückliche Revels-Besucher
Indisches Subway ;)
Gola - sau süß, aber erfrischend

In einer mittelalterlichen Maschine wird das Eis gedrechselt, mit einem Becher in Form gebracht und mit süßem Sirup übergossen. Beim Versuch das Eis zu schlecken oder zu zerbeißen scheitert man gnadenlos. Gola muss ausgezutscht werden.





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