Montag, 7. März 2011

16/ Happy Birthday Martin!


In einem groβen Geschenkeladen hielt ich Ausschau nach einem Geschenk für Martins Geburtstag. Der Verkäufer bot mir Uhren, Gürtel, Feuerzeuge und ein Schlipsset an. Ich entschied mich für ein schwarzes Lederportemonnaie von Hugo Boss – ein neues war dringend nötig. Mit Schrecken stellte ich fest, dass ich nicht genug Geld dabei hatte. Da antwortete der gewandte Verkäufer: „Das ist kein Problem. Zahlen Sie einfach ein anderes Mal. Ich vertraue Leuten wie Ihnen.“ Und natürlich kann ich es jederzeit umtauschen, wenn es meinem Freund nicht gefällt. Zu guter Letzt wickelten sie es noch in schön kitschiges Herzchengeschenkpapier ein und klebten eine Gruβkarte darauf. Der Geburtstag war gerettet!
Im Gift House gibt's Geschenke

Am 1. März wurde Martin ein Jahr älter und ich verwöhnte ihn mit einem leckeren Frühstück – den Umständen entsprechend mit Marmeladentoast und Wassermelonenstückchen. Mein Geschenk traf genau seinen Geschmack.
Wie ich später erfuhr, standen unsere Nachbarn pünktlich um Mitternacht vor unserer Tür und waren bereit für eine Überraschungsparty. Wahrscheinlich weil ich vor einigen Wochen erwähnt hatte, dass ich zu Martins Geburtstag etwas planen möchte. Wir schliefen tief und fest. Die Party haben wir zwecks Prüfungsstresses auf Samstag verschoben.

Von der Arbeit hatte ich mich an diesem Tag etwas eher verabschiedet und unternahm zu Fuβ einen Wettlauf gegen die Zeit, Hitze und Entfernung. Ich hatte mir vorgenommen einige besondere Köstlichkeiten einzukaufen.
Erst lief ich vom Tiger Circle zum Hangyo Restaurant, weil es dort den Butterscotch-Milkshake gab, der Martin am besten schmeckte. Nachdem ich denen irgendwie klar gemacht hatte, dass ich ihn eingepackt mitnehmen möchte, ging es im Eilschritt wieder Richtung Tiger Circle zur gröβten Bäckerei am Platze. In einer Glasvitrine waren verschiedene Tortenstücke aufgetafelt. Ich nahm die Bestaussehensten – vornehmlich mit Schoko.
Ab da begab ich mich ins Ungewisse. Mit hitzefeindlichen Fressalien bepackt, war ich nun auf der Suche nach einer Bar. Das Ziel war ein Kingerfisher Bier für den Liebsten zu kaufen. Hatte er doch seit seiner zweimonatigen Aufenthaltszeit in Indien nur ein einziges Bier in den Händen halten dürfen. In Restaurants gibt es hier keinen Alkohol und Bars sind rar gesät. Als ich meine Freundinnen nach einer Bar fragte, konnten sie mir keine Antwort geben. Für Frauen ist es absolut verpöhnt in eine Bar zu gehen. Ich lief also vom TC bis zu uns nach Hause - meinen Kopf ständig nach recht und links wendend - auf der Suche nach einer Bar. Kurz vor unserem Apartment dann die Erlösung: Die Bar von BigBoss hatte auf. Mutig setzte ich meinen Ruf aufs Spiel und den Fuβ in die Tür. In dunklen Ecken saβen Männer. Ich lief schnurstracks zum Tresen und verlangte ein Kingfisher Bier. Vorsichtshalber entschied ich mich gegen die Strong-Variante und musste einiges hinblättern. Alkohol ist hier sehr teuer. Sie wickelten die Flasche in Zeitungspapier und übergaben sie mir in einem Plastikbeutel. Ich sprintete zur Wohnung. Martin freute sich riesig – Auftrag erfüllt.


Den Abend lieβen wir in unserem Stammrestaurant Mighty ausklingen. Als süβes Nachtisch-Highlight bestellten wir einen Sizzling Brownie. Wir hatten das aufsehenerregende Dessert schon mehmals bei anderen beobachten dürfen. Ähnlich dem Sizzler wird ein Brownie mit einer Eiskugel oben drauf in einer heiβen Pfanne aus der Küche gebracht. Dann werden Schokosoβe und Nüsse (Cashew-Kerne) darüber gekippt. Alles bruzelt lautstark in der Pfanne und fertig ist das heiβ-kalte Geschmackserlebnis. Warum gibt es sowas Tolles nicht in Deutschland? Wir haben gerade mal Vanilleeis mit heiβen Himbeeren zu bieten.


Die Rechnung

Am nächsten Tag gab es eine böse Überraschung: Das Portemonnaie war kaputt gegangen. Wir liefen zum Geschenkeladen. Mein Verkäufer von damals, der übrigens der Boss war, überzeugte mich erneut von seinen unglaublichen Qualitäten. Freudestrahlend empfing er uns und sagte: „Kein Problem. Ich habe doch gesagt, ihr könnt es jederzeit umtauschen. Sucht euch einfach aus, was ihr wollt.“ Verschmitzt schielten wir auf eine sau teure indische Dekostatur. Aber praktischerweise gingen wir wieder zu den Geldbörsen-Vitrinen und wählten ein ähnliches robusteres Modell aus. Es kostete 45 Rupien mehr als das alte. Der Verkäufer erlies sie uns - spendabel wie er war. So muss das sein. Glücklich verlieβen wir den Laden.

Unsere nächste Herausforderung war Martins Geburtstagsparty. Wir hatten uns das alles so schön vorgestellt. Entgegen der studentisch-indischen Angewohnheit nur essen zu gehen, wollten wir ca. 20 Gäste zu uns nach Hause einladen, standesgemäβ bewirten und einfach das Geburtstagskind und die absolvierten Prüfungen feiern. Das Ganze sollte Samstagnachmittag nach der letzten Prüfung stattfinden. Statt umfangreichen Abendessen entschieden wir uns für ein ausgiebiges Kaffeetrinken mit vielen verschiedenen süβen indischen Leckereien. Meine Kolleginnen fertigten mit mir gemeinsam extra eine Einkaufsliste an und dank Google hatte ich ungefähre Vorstellungen, wie die Süßspeisen aussehen sollte. Indische Spezialitäten: Pedas, Soan Papdi, Upperi, sweet & spicy mixtures und Jahangir Jilabi. Internationale Geschmacksnerven würden mit Cookies, Ice-Cream oder Fruit Salad bestens bedient werden.

Zurück zur Realität: Aus dieser Party wurde nichts. Ich hatte meinen freien Samstag umsonst damit verbracht die Wohnung klinisch sauber zu bekommen. Zum Glück hatten wir das Essen für 20 Personen noch nicht eingekauft. Jedenfalls sprachen einige mehr oder weniger nachvollziehbare Gründe gegen die Heimparty: Martins Kommilitonen brachten an, dass es üblich sei ins Restaurant zu gehen. Er könne sich auch ein Limit für das Budget setzen und alles, was darüber sei, muss jeder selbst bezahlen. Dann argumentierten sie, es sei keine richtige Zeit, manche müssten dann noch zum Deutsch-Kurs, andere wollten nach den Prüfungen relaxen oder seien müde. Unser größtes Problem war, wie wir Kaffee und Tee mit Tassen für 20 Personen organisieren sollten.
Langsam waren wir mit den Nerven am Ende. Ich wollte einfach nur Martins Geburtstag feiern – zusammen eine schöne Zeit verbringen zu Ehren eines lieben Menschen. Martin wollte es einfach nur noch hinter sich bringen. Kurzerhand schickten wir dann Samstagmittag eine Rund-SMS an alle. Wir luden sie in unseren Lieblingseisladen ein.
Das verlockende Angebot funktionierte. Alle Zweifel waren aus dem Weg geräumt und Martins Klasse erschien beinahe vollzählig.



Während ich Interessierten wieder einmal berichtete, wie es mir auf Arbeit gefällt und Bilder von mir im Sari zeigte, stürzten sich die anderen auf zwei völlig überforderte Eisdamen. Dass Inder keine Warteschlangen kennen, brauche ich ja nicht großartig zu erwähnen. Bis ich endlich an meine zwei Kugeln Eis gelangte, hatten andere schon ihren 2. oder 3. Eisbecher inkl. Soße, Obstsalat, Nüssen und Gummitierchen. 

Andrang von allen Seiten
Das Geburtstagskind

Als Martin und ich unser Eis verzehrt hatten, begaben wir uns langsam Richtung Kasse, um schlimmeres zu verhindern. Ich weiß nicht, ob die Verkäuferinnen über eine besonders ausgeprägte Gedächtnisleistung verfügen oder am Ende einfach nur einen ungefähren Betrag nannten.
Mit der Rechnung war die „Party“ auch schon zu Ende. Sie verließen den Ort des Geschehens und mancher bedankte sich auch. Zumindest eine Glückwunschkarte hätten sie ihrem deutschen Klassenkameraden ja mal schreiben können.
Ich komme nicht umhin den Eindruck zu gewinnen, dass manchen Indern bei solchen Feierlichkeiten eine spezielle Art von - milde ausgedrückt - fehlender Bescheidenheit bzw. Würdigung anhaftet.
Eines stand jedenfalls fest: Bei meinem Geburtstag sollte alles anders werden.


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