Montag, 7. Februar 2011

8/ Abenteuer pur


Namaste! („Verehrung dir“)

Ich hoffe ihr hattet alle ein angenehmes und ausfüllendes Wochenende!? Dann steht einem erfolgreichen Wochenstart voller Tatendrang nichts mehr im Wege.

Aktuelle Bestandsaufnahme: Ich bin bis jetzt kerngesund geblieben. Nur Martin hat durch die dünnen durchgelegenen Matratzen starke Rückenschmerzen und hustet dauernd (wahrscheinlich angesteckt bei seinen Kommilitonen).
                          

Endlich Wochenende (Sonntag)

Nach einem luxuriösen langen Ausschlafen bis ca. um 9 Uhr ging Martin ins Fitnessstudio und ich verbrachte die Zeit mit „Hausarbeit“. Trotz mittelalterlicher Gegebenheiten schlug ich mich wacker – schließlich habe ich ja mal auf dem Dorf gewohnt. Besen statt Staubsauger! Handwäsche statt Waschmaschine! Wenn mir jetzt noch jemand einen Tipp gibt, wie man Hemden und Blusen ohne Bügeleisen knitterfrei bekommt, werde ich denjenigen in meinem Blog als Held des Tages ehren.
Um 1 Uhr trafen wir uns mit einigen Kommilitonen von Martin zum Mittagessen in der Mensa. Den weiten Weg nahmen wir gern auf uns, da es dort sonntags immer Puris gibt. Von der Form her erinnern sie an einen Gugelhupf – es sind aber fritierte Teigtaschen. Reis, verschiedene Soßen und Süppchen gehören ja zum Standard-Repertoire der indischen Küche. Es gab sogar Gurken und wir bestellten zusätzlich noch stark gewürztes, extrem fettiges Rührei (für Martin aus Trainingsgründen) und Wassermelonensaft. Ein wirklich festliches Mahl! Immer wieder ein Erlebnis ist es den Indern beim gekonnten Essen mit den Händen zuzusehen (Das filme ich noch mal für euch.).

Puris

Dann begaben wir uns in der größten Mittagshitze auf eine 2,5-stündige Extremwanderung durch Manipal – ohne Wasservorräte. Ursprünglich waren wir nur auf der Suche nach einer Gelegenheit zum Schwimmen. Die MIT-Swimming Pool Öffnungszeiten (Manipal Institute of Technology) waren strikt in Männer- und Frauennutzung eingeteilt (Wohnheime ebenso). Außerdem stellte man mir wieder einige bürokratische Hürden in Aussicht. 


Ohne Worte!
Der Student und sein Institut

Um nicht ganz allein schwimmen gehen zu müssen, hatte ich schon einige weibliche potenzielle Kandidaten gefragt - aber keine wollte mit. Zuerst war es für mich unverständlich, warum man bei dieser brennenden Hitze freiwillig auf eine Abkühlung verzichtete. Bei genauerem Nachfragen fand ich heraus, dass manche gar nicht schwimmen können. Der Hauptgrund ist allerdings die Sonne. Indische Frauen vermeiden tunlichst jeden Sonnenstrahl und laufen am liebsten mit Sonnenschirm durch die Gegend. Das liegt daran, dass hellere Frauen auf dem Heiratsmarkt wesentlich „wertvoller“ sind. Diese indische Eitelkeit besagt: Umso dunkler, desto schlimmer.

Unterm Sonnenschirm

Auf zum nächsten Schwimmbad! Diesmal betraten wir ein luxuriöses Hotel, bei dem man sich eine Stunde täglich am Pool erkaufen kann. Dieser Pool ist kleiner als in dem anderen Schwimmbad, aber  es gibt wenigstens keine Geschlechtertrennung. Ein bisschen Angst habe ich allerdings vor indischen Paparrazzis. ;)
Die Suche nach der dritten Abkühlungsmöglichkeit sollte vergeblich sein. Eine auf der Straße trabende Kuhherde entschädigte mich vorerst für die Strapazen.

Das sind wohl die glücklichsten und wirklich freien Wesen auf dem indischen Subkontinent.


Dann gelangten wir in ein NeuBAUgebiet. Das wäre auch kein schlechter Wohnort gewesen.

Typisch Indien
Das nenn ich mal erhöhten Werbedruck mittels Außenwerbung. So rot sehen in Indien viele Straßen aus.

Nachdem wir noch einmal unserer Modeltätigkeit nachkommen mussten und das Nötigste eingekauft hatten, kamen wir völlig erschöpft zu Hause an. Sonnenverbrannt, halb verdurstet und hitzegeschockt. So ließen wir den Sonntag ruhig ausklingen.
Ich skypte noch kurz mit meinem Chef. Er sagte, ich solle Monntagmorgen später kommen, damit ich dann abends mit dem „Big Boss“ aus den USA telefonieren könne.


Montag – die zweite Arbeitswoche beginnt

Heute lernte ich die Verpackungsabteilung der Manipal Press kennen. Zuerst wurde ich in das Hauptgebäude geführt, das sich an MDS anschließt. An Wachpersonal und Sicherheitsvorkehrungen fehlt es in Indien nirgends. Ich musste mich in eine Liste eintragen mit Wohnort usw. Dann erhielt ich ein tolles Umhängeschild mit der Aufschrift „Visitor“. Ich wurde in eine überdimensionale Fabrikhalle geführt. In meiner grauen Nadelstreifenhose und weißen Bluse fühlte ich mich wie beim Staatsempfang – jedenfalls klebten alle Augen an mir. Wer weiß, vielleicht dachten sie auch nur, ich wolle die Arbeitsbedingungen untersuchen. Alles wurde mir genau erklärt. Zuerst ging es in das PrePress Department (Druckvorstufe). Ich bekam etliche 3D-Simulationen hochwertiger Produktverpackungen zu Gesicht. Ein Mann zu meiner rechten, einer zu meiner linken verließ ich das Gebäude – natürlich wurde noch einmal meine Tasche durchsucht. Dann gingen wir zum Gebäude des Verpackungsdrucks. Dort hielt ich edelste Verpackungen in meinem Händen: gold, silber, glänzend, matt, metallische Optik, Reliefe, Prägungen, Stanzungen - um nur einiges zu nennen. Besonders freute ich mich, als ich eine Verpackung mit deutscher Aufschrift in der Hand hielt - eine Arzneimittelverpackung mit Blindenschrift. Im Anschluss wurden mir sämtliche Maschinen und Arbeitsschritte gezeigt. Ein kleiner Altar und Blumenschmuck an einer der Maschinen erregten meine Aufmerksamkeit. Danach wurde ich wieder zurück zu MDS begleitet und die Männer bedankten sich tatsächlich für meine Zeit.

Der Big Boss aus den USA

Lange hatte ich mich gedulden müssen, doch dann war er endlich gesprächsbereit. Denn in den USA ist es morgens, wenn es bei uns schon abends ist. Ihr glaubt gar nicht, wie wohltuend es war, endlich mal ein englisches Gespräch zu führen ohne größere Verständigungsschwierigkeiten. Wir verstanden uns sofort blendend. Ich sollte ihn einfach "Mat" nennen. Er begrüßte mich in seiner Firma und erzählte mir, dass er in Deutschland „Printing“ studiert habe. Nachdem ich von meinen bisherigen beruflichen Erfahrungen berichtet hatte, bemerkte er zufriedenstellend, dass ich die idealen Vorrausetzungen mitbrächte. Wir fachsimpelten ein wenig und er fragte mich, was ich am liebsten machen würde in meinem Traumjob. Dem entsprechend legten wir dann auch meine Arbeitsinhalte fest. Ich freue mich riesig – ich liebe diese Firma und diesen Job jetzt schon!

Dann hätte ich eigentlich schnurstracks nach Hause gehen können, aber ich wollte die Gelegenheit nutzen endlich das Marketing-Department kennen zu lernen. Die Verantwortlichen für Europa und Amerika vermittelten mir einen guten Überblick über ihre Tätigkeit und Strategie. Dann erzählte mir der Kräftigere, dass er sehr gerne Fleisch esse im Gegensatz zu seinem schmalen, vegetarischen Kollegen. Aus Versehen rutschte mir heraus: „Das sieht man.“ Typisch ich! Zum Glück waren sie sehr locker drauf. Dann war es auch schon halb 8 und endlich Zeit nach Hause zu gehen. Kurzerhand entschied der Vegetarier mich auf seinem Motorrad nach Hause zu fahren (ohne Helm!). Ich hoffe mal nicht, dass sich jetzt die halbe Stadt das Maul zerreißt. ;) Mein Wunsch, auf einem Motorrad durch die Stadt zu fahren, erfüllte sich und … *Krach Bum Bäng* … Ich schrie lauthals auf. Wir waren in der Dunkelheit gegen eine heilige Kuh geknallt. Der Schock saß tief. Sie war einfach nicht zu erkennen gewesen und wer denkt schon als normaler Mitteleuropäer, dass sich noch andere große, nicht leuchtende Wesen auf den Straßen bewegen könnten. Der Inder sagte, so etwas sei ihm noch nie passiert. Ich erwiderte: „Da musst du heute wohl etwas länger beten.“
Damit geht dieser Tag definitiv in die Geschichte der unglaublichsten Momente Bines indischer Abenteuer ein.

Jetzt ist es doch wieder ein sehr langer Text geworden. Da lass ich euch bis zum nächsten Eintrag mal lieber etwas mehr Zeit. Ich muss mich erstmal von diesem Tag erholen.

Gute Nacht!

6 Kommentare:

  1. Sehr schön geschrieben :)

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  2. Hey, vielen Dank für das Kompliment. Aber wer verbirgt sich denn hinter dem anonymen Kommentator? :)

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  3. Huhu,
    Martin hat uns heute den Link zu deinem Blog geschickt, weil er so schreibfaul ist ;)
    Hab gerade mal ein bisschen quergelesen und kann vieles nachvollziehen (war von September bis November in Manipal). Zwei Dinge kann ich dir mit auf den Weg geben: 1. Wenn man aufeinander trifft, fragt man immer nach der letzten Mahlzeit. Das ist so, als wenn wir uns höflicherweise nach dem Befinden fragen :) und man verwirrt Inder, wenn man "how are you?" fragt... 2. Problem waschen/bügeln - in Manipal gibt es mehrere Laundry-Shops - da kannst du die Sachen abgeben und bekommst sie gewaschen und gebügelt zurück. Ich hab das zumindest für meine Shirt und Hosen in Anspruch genommen, weil mir alles andere zu umständlich war. Man sollte sich nur merken, wieviele Teile man abgegben hat. Im Schnitt habe ich für 4-5 Teile um die 30 Rupien bezahlt.
    Ich wünsch euch noch viel Spaß - genießt die Zeit und grüßt die Masterstudis von mir :)
    Viele Grüße
    Conny

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  4. Hallo Conny,
    danke für deine Zeilen. Ich hatte mich schon sehr gewundert. Dann ist vielleicht das ganze Institut "Schuld" an meinem extremen Besucherzuwachs. ;) Am Donnerstag hatte ich gerade mal 14 Seitenaufrufe auf meinem Blog zu verzeichnen, und am Freitag 58!
    zu 1. Also ich halte persönlich nichts von solchen Standardfragen. Aber ich wurde auch schon von einer Arbeitskollegin gefragt wie es mir geht. Natürlich antworte ich weiter fein artig.
    zu 2. Ja diese Shops kenne ich. Martin hatte sie schon ein paar Mal in Anspruch genommen. Aber es dauert halt immer zwei Tage, und dafür, dass man hier öfter Klamotten wechseln muss, als in Deutschland... Und Bettwäsche müssen wir sowieso am Morgen waschen, damit sie am Abend wieder trocken ist. Naja ich vertraue lieber auf meine eigenen Waschkünste. Noch...
    Viele Grüße ins schöne Deutschland.
    Bine

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  5. Achso, Bine ist war es... Anni :)

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  6. Danke dir, meine fleißigste Kommentatorin :)

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