Samstag, 5. Februar 2011

7/ Mein Arbeitsalltag


Es ist Samstagabend und meine erste Arbeitswoche ist vorbei. Ich habe unheimlich viel erlebt und Neues erfahren – das versuche ich jetzt alles in diesen Blogeintrag zu quetschen. :)

Jeden Morgen stehen Martin und ich kurz nach 7 auf. Er geht 7.30 zur Uni und ich verlasse 7.45 das Haus. Jeden Tag werden meine schönen schwarzen Sandalen von rotem Staub benetzt. Ich glaube nach allerspätestens einem halben Jahr auf einer Mischung aus Mondlandschaft und Acker-Steinwüste zu laufen, sind sie reif für die Abwrackprämie. Weitere Highlights meines Arbeitsweges sind herumstreunende ausgemerkelte Hunde, Kühe, die entweder Asche oder Plastiktüten fressen und Rauchschwaden aus verbrannten Müllhaufen mit beißendem Gestank. 

Direkt vor unserem Fenster
Heute auf dem Weg zur Arbeit – die Tiere leben alle auf der Straße und sind überhaupt nicht scheu.
Bild für die Götter

Endlich werde ich mal beachtet - von den Hunden bekomme ich nicht so viel Aufmerksamkeit wie von den Menschen.

Meistens bin ich schon 8.15 Uhr auf Arbeit. Meine erste Amtshandlung ist das Einloggen bei Skype. Alle Mitarbeiter kommunizieren über Skype miteinander - auch mit Kunden. Für mich hat das den Vorteil, dass ich mir so die Namen besser einprägen kann. Weibliche Namen sind z.B.: Reshma und Sridevi; männliche Namen: Prasanna, Gautham. Aber wenigsten habe ich hier schon einen Inder kennen gelernt, der einen mir bekannten Namen trägt: Frank.
Die Pausen verbringe ich meist mit denselben Mädels. Ich bin mal wieder die Jüngste an unserem Tisch – viele sind schon verheiratet. Ab 10.00 Uhr haben wir unsere erste Pause. Dann gehen wir in die Cafeteria und dürfen dort kostenlos essen und trinken. Es gibt immer eine kleine warme indische Mahlzeit – zu meiner großen Erleichterung ist die überhaupt nicht scharf. Weiterhin gibt es Kaffee oder sehr leckeren Tee mit Milch. Die Mittagspause ist um 1, die letzte ist um 5.

Problemfall 1
In dem Restaurant, in dem ich an meinem ersten Arbeitstag gegessen hatte, war ich vorher schon einmal gewesen. Ich hatte meine super leckeren, teuren, überbackenen Makkaroni mit Hühnchen (Endlich mal wieder etwas Heimisches.) nicht annähernd geschafft und bat die Kellner es mir einzupacken. Dann hatte ich es aber vergessen - und sie haben es mir nicht verpackt. Da war ich echt sauer.
Auf Arbeit hat man mir gesagt, ich könne bei denen bestellen. Sweta hat sie extra gebeten auf der Papier-Speisekarte die Gerichte anzukreuzen, die nicht so scharf sind. Ich bestellte also meinen Egg Fried Rice. Auf der Speisekarte stand FreeHomeDelivery - umso erstaunter war ich, als sie mir 15 Rupien als „Extra Item“ berechneten. Am nächsten Tag bestellte ich deshalb extra etwas Billigeres, um nicht zu viel auszugeben: French Fries (Pommes) für 35 Rupien. Ich dachte, die hätten sich vertan, als ich den Kassenzettel in der Hand hielt. Waren die doch tatsächlich so dreist und berechneten mir 20 extra Rupien! Ich habe mir geschworen nie wieder bei denen zu bestellen.
Jetzt habe ich natürlich kein Mittagessen mehr. Ich wurde aber großzügig mit jeder Menge indischen Essens meiner Mädels versorgt. Nächste Woche werde ich in einem nahe gelegenen Hotel jeden Tag das gleiche indische Essen bestellen für 20 Rupien. Das habe ich heute gekostet und es schmeckt gut. - natürlich alles vegetarisch und extrem viel.

Problemfall 2
Als ich gestern zum Mittagessen in die Cafeteria ging, lag dort ein toter Vogel unter einem Tisch. und wurde sogleich von Ungeziefer belagert. Ich habe keine Ahnung wie er das geschafft hat - mein heiß geliebter Essenstempel war jedenfalls entweiht.


Das ist hier echt schlimm. In unserer Wohnung müssen wir sehr aufpassen. Wenn wir den Mülleimer nicht regelmäßig leeren, dürfen wir innerhalb kürzester Zeit ein Kleintiergehege bei uns begrüßen.
Wenigstens haben wir jetzt endlich einen Kühlschrank – sogar mit Gefrierfach. Der aktuelle Inhalt: Wasserflasche, Weißbrot, Butter, komische Marmelade, Obst, Gemüse. Jetzt müssen wir uns noch ernsthaft überlegen, ob wir uns etwas Küchenähnliches kaufen. Jeden Tag ins Restaurant zu gehen, ist doch etwas teuer, und auf Dauer langweilig usw.
Gestern haben wir ein neues Restaurant ausprobiert: Big Boss. Als wir gesehen haben, dass es für indische Verhältnisse extrem edel war, haben wir es nur sehr zögerlich betreten. Zum Glück hatte ich noch mein „Business-Outfit“ an – im Gegensatz zu meinem Freund im Deutschland-Trikot. Aber manche Männer schaffen es ja sogar mit Trainingsanzug in die Oper zu gehen. ;) Das Essen im „Familienrestaurant Big Boss“ war jedenfalls sehr lecker. Wir bestellten die 4 billigsten Gerichte: Fresh Green Salad (einfach nur ein paar Scheiben Gurken, Möhren, Zwiebel, Tomaten ohne Dressing), French Fries (sogar selbst gemacht – so schön schief wie die waren), Veg Noodels (Nudeln mit bisschen Grünzeug drin) und ein Egg Omlett (sah aus wie ein Eierkuchen).

Zurück zur Arbeit

Noch ein paar typische Dinge, die mir aufgefallen sind:
Mehrmals täglich werde ich gefragt, ob ich Frühstück/Mittag gegessen habe – manchmal auch, was ich gegessen habe und ob es mir geschmeckt hat. Ich dachte ja immer, ich sei extrem auf das Essen fixiert, meinem Highlight des Tages, (jedenfalls als ich noch in Deutschland war) – aber die Inder überbieten mich bei weitem. Sie essen nicht nur extrem viel und oft, sie sprechen auch dauernd darüber. Bei jeder Mahlzeit soll ich immer von jedem einzelnen das Essen kosten. Und kosten bedeutet nicht einen Bissen. Wenn ich das Essen von 2-3 Mädels kosten soll, türmt sich schon mal ein Berg auf meinem Teller. Dann werde ich mit großen gespannten Augen angeschaut und soll sagen, ob es mir schmeckt. Meistens bin ich ehrlich. ;) Wenn ich ihnen dann mein Essen anbiete, will keiner etwas nehmen.

Es ist oft nicht leicht zu verstehen, was die Inder von mir wollen. Erst habe ich wirklich an meinen Englischkenntnissen gezweifelt. Aber manche können nicht so gut Englisch sprechen und andere haben einen extremen Akzent. Allein die Betonung oder das Buchstaben-Verschlucken bzw. Nuscheln ist meine tagtäglich größte Herausforderung. Beim Essen unterhalten sich alle immer in einer Sprache, die ich nicht verstehe. Aber nicht einmal der Chef versteht diese Sprache. Die Sprachen hier sind regional sehr verschieden – so als wenn Chemnitz eine eigene Sprache hätte (so weit ist das ja gar nicht hergeholt). :)

Ein weiterer sympathischer Fimmel der Inder sind Blumen. Ich habe keine Ahnung, wie sie das bei der Dürre und Hitze bewerkstelligen. Aber egal wo man hinblickt – irgendetwas ist immer mit Blumen geschmückt, seien es Busse, Häusereingänge, Maschinen, Frauenfrisuren. Allerdings werden nur die Blüten verwendet und meist zu einer Kette verflochten.

Meeting mit dem Chef

Der „große“ Chef, der in der strengen indischen Hierarchie nur noch einen über sich hat, bestellte mich zu sich. Dabei waren außerdem der Chef „darunter“ Mr. Desai und Sweta. Nach dem Smalltalk kamen wir zu den Fakten. Ich erklärte mein Problem mit der indischen Sim-Card – sie wollten sich darum kümmern. Wir besprachen meine Tätigkeit, Vertrag und Gehalt. Beim Thema Arbeitszeiten lief es dann nicht mehr ganz so gut für mich - also 6 Tage die Woche arbeiten. Außerdem hätten sie mich gern zu den deutschen Arbeitszeiten da, wenn ich Kontakt zu deutschen Kunden aufnehme. Das ist für mich schon verständlich, aber durch die blöde Zeitverschiebung müsste ich dann von 13.00 bis ca. 22.00 Uhr arbeiten. Das heißt in der schlimmsten Mittagshitze kommen und in der Nacht, wenn kein Bus mehr fährt, gehen. Toll, da zieht man schon zusammen, um dann eine „Sonntags-Beziehung“ zu führen. Na mal sehen, wann das auf mich zukommt.

Meine Arbeit (Ich versuche mich nicht zu fachlich auszudrücken.)

Diese Woche habe ich fast alle Departments (Abteilungen) kennen gelernt. Der Verantwortliche jedes Bereichs und Mr. Desai haben unheimlich viel Zeit in mich investiert. Zwischen Chef und Fachspezialist saß ich nun und notierte mir alles genau. Vieles war mir zum Glück schon bekannt.

Department Imaging
Die Photoshop-Artists – es gibt scheinbar nichts, was sie nicht können. 

Vorher
Nachher
























Einige Referenzen:
 

Department XML/HTML
Sie verwandeln ein echtes Buch in ein eBook für diverse Reader. Das Ganze durfte ich gleich am Sony Reader, Amazon Reader und iPad testen. Außerdem können sie auch komplette pdf-Dokumente in eine Database einfließen lassen.

Department Website Development
Die Programmierer. Mit Hilfe von Content Management Systemen (CMS) können die Kunden ganz laienfreundlich selbst Inhalte in ihre Internetseite einfügen. Nicht zu vergessen Blogs, E-Commerce-Lösungen (Onlineshops), Animationen, Webdesign, Widgets (Einbindung von Twitter etc.), Suchmaschinenoptimierung (SEO) usw.

Department Publishing
Die Grafikdesigner kreieren Anzeigen, Kataloge, Bücher, Magazine, Broschüren, Illustrationen etc. Egal, was du ihnen vorlegst – sie können alles 1 zu 1 am Computer nachstellen (Grafiken, Illustrationen, Logos). Sie haben mir sogar ein dickes fettes niederländisches Anatomie-Buch gezeigt. Ihr könnt euch sicher vorstellen, welche Arbeit so etwas macht.

Department Applications
Sie entwickeln Apps für iPad und iPhone.

Department Software Development
Sie entwickeln spezielle Software nach Wunsch. MDS verwendet firmenintern drei Softwares, die sie selbst entwickelt haben.
„Studio Connect“ begleitet den Kunden von der Auftragserteilung bis zum fertigen Produkt. 24 Stunden am Tag kann er am Desktop die Bearbeitung verfolgen und er kann Änderungen ganz einfach mit der Maus am Objekt markieren und Kommentare verfassen.

Department Quality
Darunter kann sich sicher jeder etwas vorstellen. :)

Die restlichen Departments werde ich noch kennen lernen.


So, bis bald ihr Lieben.
Ich genieße jetzt mein wohlverdientes Wochenende.

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