Mittwoch, 23. Februar 2011

13/ Der schlimmste Tag des Jahres ;)


Von indischen Geburtstagen hört man ja so einiges: Geburtstagskinder sollen geschlagen werden oder bekommen eine Torte ins Gesicht geworfen. Dass der Geburtstag nicht unbedingt der schönste Tag des Jahres sein muss, habe ich diese Woche live miterlebt. Zum Glück habe ich erst im Juli Geburtstag.
Es soll hier ja so Sitte sein, dass das Geburtstagskind seine Gäste ins Restaurant einlädt und die Rechnung bezahlt. Das klingt bis jetzt noch nicht zu abwegig. Wenn man allerdings seine 20 Kommilitonen einlädt, kann man das Ausmaß des Abends vielleicht schon abschätzen. Nicht umsonst fragte das Geburtstagskind ein paar Tage zuvor meinen Freund Martin, ob er nicht mitfeiern wolle; zu Deutsch: die Rechnung mitbezahlen wolle. Schließlich hätte er doch eine Woche später Geburtstag. Während Martin schon fast zugesagt hätte, ist er nach diesem Abend sicherlich froh, dass ich ihm strikt davon abgeraten habe. Wir machen lieber unsere eigene Party nach deutschen Maßstäben (Ein bisschen darf man wohl noch auf seinen Traditionen beharren). Sowieso ist Vorfeiern das Allerschlimmste überhaupt.

Als Gäste machten wir uns also am besagten Abend auf den Weg in ein Restaurant. Laut Martin war Punkt 7 Treffpunkt. Ich zweifelte schon etwas, aber Martin zur „Unpünktlichkeit“ zu bringen, ist in etwa so schwer wie eine Katze zu überreden beim Fallen doch mal auf dem Rücken zu landen, anstatt auf allen Vieren. Wenige Minuten vor 7 waren wir also da. Wir ganz allein – das sollte eine gefühlte Ewigkeit so andauern. Das Szenario war Folgendes: Meine Abneigung gegen Warten (obwohl ich auch ein sehr pünktlicher Mensch bin) kollidierte mit Martins Pünktlichkeitsdrang. Mit mehreren Anrufen vergewisserten wir uns, dass wir nicht vor dem falschen Restaurant standen. Die Mägen knurrten gefährlich. Ein Spaziergang und teure Einkäufe beim Obsthändler (Birnen und Orangen) ließen die Zeit nicht schneller vergehen.
Fast eine halbe Stunde später tauchte dann das Geburtstagskind Devicharan (DC) auf; vollständig waren wir um 8 noch nicht. Im Restaurant wurden zunächst Tische wild verschoben bis nach mehreren Anläufen eine lange Tafel entstand. 
 

Hungrig, wie wir waren, überlegten wir uns schon mal, was für ein (!) Essen wir bestellen sollten. Dabei plagte mich mein schlechtes Gewissen, da ich doch der einzige Nicht-Kommilitone war und trotzdem „eingeladen“ wurde. Das Geburtstagskind fragte uns nach „Starters“. Da dachte ich: „Ok, dafür, dass wir so lange gewartet hatten und jetzt immer noch nicht alle da sind, darf ich mir wohl ein preiswertes Süppchen auf dessen Kosten genehmigen“. Ich entschied mich für eine French Onion Soup. Von mundgerechter Temperatur der Speisen schienen sie noch nichts gehört zu haben und etwas anderes als Knoblauch vermochte ich nicht zu schmecken. Die Plätze an der Tafel füllten sich. Mehr und mehr Starters wurden aufgetischt, bis die Tafel einem Buffett glich. Fleißig wurden Suppen, French Fries und gebratene Hühnchenschenkel hin und her gereicht. Ich befürchtete schon satt zu sein, bevor ich überhaupt mit der Hauptspeise angefangen hatte. Da das Geburtstagskind mir direkt gegenüber saß, hatte ich dessen Gesichtsausdruck immer gut im Blick. Aber auch als alle Unmengen von Hauptgerichten bestellten, konnte ich weder Entsetzen noch Unmut feststellen. Als wir dann noch aufgefordert wurden Nachtisch zu bestellen, legte ich sämtliche deutsche Bescheidenheit ab: Zwei Milchshakes und ein Eisbecher American Beauty gingen auf mein Konto. Damit fiel ich gar nicht weiter auf im süß-indischen Nachtischwahn.
Spätestens jetzt war ich überzeugt, dass Studenten wohl zu den reichsten Menschen der indischen Bevölkerungspyramide gehören mussten. Wer vermutet, dass man die Kosten zumindest teilweise mit den üppigen Geschenken aufwiegen kann, der hat weit gefehlt. Außer zwei schicken Glückwunschkarten und einer Tasse gab es nichts für das Geburtstagskind. Da standen wir mit unseren deutschen Coca Cola Gummibärchen gar nicht so schlecht da. 


Abgesehen vom köstlichen Essen war der Abend äußerst unterhaltsam. Besonders Digvijay beherrschte es perfekt, sämtliche Professoren und Kommilitionen zu imitieren und deren „kleine Schwächen“ gekonnt in Szene zu setzen. Selbst Martin blieb nicht verschont. Das ganze Restaurant lag flach und weinte Tränen vor Lachen.
Wir bescherten dem Restaurant einen Spitzenumsatz und eine lautstarke Abendunterhaltung – zumindest letzteres wäre in Deutschland undenkbar. Wohlbemerkt alles ohne einen Tropfen Alkohol!



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