Dienstag, 22. Februar 2011

12/ Großeinkauf und Manipals Todesfalle

Samstag nach der Arbeit traf ich mich mit Martin am Tiger Circle – Manipals belebtem Zentrum. Das war bereits der zweite Versuch diese Woche. Beim ersten Mal ging es komplett schief u.a. durch kurzfristige Vorhaben meiner Vorgesetzten, die sie in letzter Minute wieder absagten. Ein weiterer Grund für unsere Kommunikationsprobleme war, dass ich hier ohne Handy überlebe. Bis jetzt bin ich ganz gut klar gekommen. Für die Inder hier ist es wie für die Deutschen - lebensnotwendiger Begleiter.
Jedenfalls trafen wir uns Samstagabend wie verabredet am TC. Schnurstracks gingen wir in ein eher hochpreisiges Restaurant. Das Gute war, unter fast jedem Gericht stand tatsächlich eine Beschreibung der Inhalte in Englisch. Wir bestellten eine Chicken-Hawaii-Pizza. Sie war doppelt so hoch, wies aber nur die Hälfte des Durchmessers deutscher Standardpizzen auf. Der typische Haiwaii-Geschmack fehlte. Als Zweites gab es Kai Manchurian. Das ist Chicken (Hühnchen), Egg Fried Rice (gebratener Reis mit Ei) und Manchurian Soße – total lecker, weil gar nicht scharf.

Dann stand der Großeinkauf an, denn im Kühlschrank herrschte gähnende Leere. Im Supermarkt ist es für indische Verhältnisse relativ teuer und Großverpackungen sucht man vergebens. Jedesmal stehe ich heißhungrig vor dem Cornflakes-Regal. Doch gerade bei solchen leckeren Sachen haben sie keine indischen Pendants. Sie importieren also Cornflakes (Kelloggs) oder auch Cremes (Nivea) – die Preise sind dementsprechend hoch. Das ist zwar noch nicht das Totschlagargument es nicht zu kaufen, aber so eine Packung ist bei mir ganz schnell leer gegessen, die Milch muss dazu gekauft werden sowie eine Schüssel und Löffel. Ich muss mich wohl von meiner liebsten deutschen Zwischendurchmahlzeit verabschieden. Dann war ich kurz davor eine Büchse Ananasscheiben und saure Gurken mitzunehmen – da fiel mir ein, dass wir keinen Öffner haben. Blieb nur noch das Süßigkeitenregal. Neben der Prinzenrolle gab es unheimlich viele verschiedene Keksangebote. Die sind hier wahrscheinlich so etwas wie Brot für die Deutschen. Wir kauften Butterkekse für 27 Rupien. Von Großeinkauf noch keine Spur, deswegen war der Bäcker der nächste Halt. Ich ließ mir von allen Keksen etwas einpacken, einen Donut, einen Schoko-Muffin, ein Brötchen und noch einmal 4 Sandwich-Brötchen für 41 Rupien. Da kaufen wir jetzt öfter ein.

Danach erregte eine kleine Menschenansammlung unsere Aufmerksamkeit – sie stand vor einem Junkfood-Stand mit frittierten Leckereien. Es gab kleine Bällchen, dreieckige Teigtaschen mit Kartoffelfüllung etc. – alles jeweils mit Soße. Es schmeckte hervorragend – fettig, aber billig. Wir lernten dort einen Mann kennen, der in Deutschland gearbeitet hatte und jetzt eine eigene Firma im Erdölgeschäft hat und mal da, mal dort wohnt und arbeitet.
Beim Obstladen ließen wir dann noch Gurke, Möhre, Apfel und Melone mitgehen – immerhin haben wir jetzt einen Schäler.

Die Nacht zum Sonntag war, bis auf meine erste Nacht hier, bestimmt die allerschlimmste. Etwas (zwischenzeitlich hielt ich es für ein kleines Mädchen) jaulte die komplette Nacht herzzerreißend irgendwo in erster Tenorhöhe kurz vorm Sterben. Am nächsten Morgen schauten wir aus dem Fenster und sahen einen kleinen weißen Hund an einer Leine festgemacht. Er jaulte und immer wenn er versuchte aufzustehen, knickten die Beine wieder weg.

Jaulender Hund

Sonntags fällt es uns besonders schwer den Tag ohne richtig leckeres deutsches Frühstück zu beginnen. Ich bin ja eine Essensgenießerin und meine Laune steigt proportional mit gutem Essen. Aber wir schaffen das. Wir lassen es uns schon gut gehen. Das erkennt man daran, dass die Höhe unserer Lebensmittelkosten direkt nach der Miete kommen.
Mittags ging es in eine kleine Mensa – von außen nur eine kleine unscheinbare heruntergekommene Hütte. Sonntags gibt‘s Puris und wir schlugen kräftig zu. 


Für den restlichen Teil des Tages hatten wir zwei Ziele – Endpoint und Manipal Lake. Zuerst entschieden wir uns für den Manipal Lake (See) und spazierten Richtung Industrial Area. Wir machten an einem Tempel halt. Dort mussten wir wieder unsere Schuhe ausziehen und hüpften schmerzerfüllt auf den brennend heißen Steinplatten Richtung Schatten.

Krishna Temple
Im Tempel

Danach "kreuzte" eine christliche Schule mit Kirche unseren Weg. Aus Neugier betraten wir sie. Alles war frei zugänglich und keine Menschenseele war zu sehen. 

Kirche

Dann verriet uns der Blick aufs Blaue, dass wir den Manipal Lake erreicht hatten. Wir schreckten noch ein Pärchen auf, dann waren wir da. Kaum zu glauben, aber sonntags bei der Hitze war weit und breit niemand am See zu entdecken. Wir spazierten um den See, denn Baden soll verboten sein – auch wenn ich kein Schild oder Wachpersonal gesehen habe. Man könnte denken Müll und die Nutzung des Sees als Waschmaschine wären die Gründe. Aber nein, das ist kein Hindernis in Indien. Der wirkliche Grund: Im Manipal Lake sinkt man in den Sand ein. Das haben wir schon ein bisschen am Rand gemerkt. Und es gibt gefährliche Strudel. Mehrere Menschen sind darin schon gestorben.

Toter Fisch

Es kostete mich viel Überedungskraft Martin davon zu überzeugen meine Tasche zu tragen. Immerhin war sie mit zwei vollen Wasserflaschen gefüllt. Er, der sich sonst nie zu schade war anzupacken, weigerte sich vorerst hartnäckig. Der Grund war schlichtweg männlicher Stolz. Toll. Gerade hier in Indien, wo uns niemand kennt und die Männer ständig händchenhaltend durch die Gegend laufen. Und es war kein pinkes Täschchen mit Goldverzierungen, es war eine sportliche schwarze Addidas-Tasche...also wirklich. Aber ihr kennt sicher meine Durchsetzungsfähigkeit. Ich war die Tasche los und Martin um eine neue Erfahrung reicher. Man kommt schließlich auch hierher, um Anschauungen und Werte zu überdenken.
Dann begegneten wir tatsächlich noch einer Familie, die großen Wasch- und Badetag am See veranstaltete. 


Langsam wurde die Hitze unerträglich und wir traten den Rückzug an. An meinen Beinen bildeten sich weiße Bläschen – der Sonnenbrand bzw. die abgestorbene Haut von letzter Woche meldeten sich zurück. Das zweite Ziel „Endpoint“ hatte sich damit für heute erledigt. Leider gibt es keinen Schatten, wenn man die Straßen entlang läuft. Überhaupt ist hier jeden Tag das gleiche Wetter. Immer heiß, niemals Regen, niemals Wolken. Das Wetter ist wohl das einzige, worauf man sich in Indien verlassen kann. Der Monsun wird dann bestimmt eine der größten Herausforderungen für uns.
Erfrischung erhofften wir uns von einer Frucht, aus der die Inder gerne trinken. Leider schmeckte ihr Saft nur süß und nicht gut. 

Junge Kokosnuss (Thanks to Anni)

Auch wenn wir lieber alles zu Fuß erlaufen und entdecken, nahmen wir nach dieser Enttäuschung eine Rikscha direkt zu unserem Lieblingseisladen. Wir konnten einfach nicht aufhören und bestellten jeder ca. 3 verschiedene Eisspezialitäten.
Zu Hause angekommen, mussten wir erst mal Ungeziefer aus unserem Kühlschrank entfernen. Wir bestellten uns noch ein paar Snacks: French Fries,Coleslow Salad und Chicken Franki.
Der Tag endete mit dem fast schon typischen Bild: Ich surfe, Martin lernt.



Lasst euch vom deutschen Mistwetter nicht die Laune verderben. Denkt an die vielen tollen Vorzüge, die ihr in Deutschland habt. Wenn das auch nicht hilft, dann kommt uns einfach besuchen! :)


2 Kommentare:

  1. Schön, dass ihr in Indien mit Coleslaw, Chicken und Fries noch etwas von der Esskultur Englands mitbekommt :D
    Diese Frucht, die Martin trinkt: Das ist doch eine junge Kokosnuss?! Oder etwa nicht?

    Ich finde es toll von deinen Erlebnissen zu lesen, sie sind bei weitem spannender als das, was ich hier erlebe! Ich bewundere dich dafür, dass du das so toll meisterst.

    Liebe Grüße, Anni

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  2. Hallo liebe Anni,
    immer wieder schön etwas von dir zu hören. Ja, die englische Esskultur rettet mich öfters mal vor kulinarischen Depressionen.
    Mit der jungen Kokosnuss könntest du recht haben. Ich hab es mal gegoogelt und es sieht unserer Frucht sehr ähnlich.
    Freut mich, wenn du es gern liest. Wir sind ja beide in den Ländern mit gemeinsamer schicksalshafter Vergangenheit. :)
    Wie läufts mit den kleinen Ladies?

    Sei ganz lieb gegrüßt,
    Bine

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