Sonntag, 29. Mai 2011

40/ Die Uni ist vorbei!

Fünf Monate Studieren in Indien sind heute vorbei! Nach 21 Prüfungen, 10 Prüfungsvorleistungen (hauptsächlich Präsentationen), 30 Protokollen, 5 Seminar-Präsentationen und einer 30-seitigen wissenschaftlichen Arbeit ist eines der nervenaufreibendsten Semester Martins 4-jähriger Studentenlaufbahn endlich geschafft.


Die Uni

Manipal ist eine von vielen aufstrebenden, indischen Städten. Besonders stolz ist man auf die Uni. Sie dominiert die Stadt wie nichts anderes. Sei es nun das Universitätskrankenhaus oder das pompöse Verwaltungsgebäude – sie alle werfen ihre Schatten auf die kleinen Buden und Hütten am Straßenrand, in denen sich Obsthändler, Fischverkäufer und Schneider versammelt haben. Die Uni ist überall, doch das war nicht immer so. Vor nicht mal 60 Jahren war Manipal nichts anderes als ein kleines Dorf mit einem schlammigen Tümpel. Daher leitet sich auch der Name Manipal ab: ‘Mannu Palla’ kommt aus der regionalen Sprache Tulu und bedeutet nichts anderes als ‘matschiger Teich’.

Seit 57 Jahren gibt es die Manipal University. 20.000 Studenten studieren in den Bereichen Ingenieurswesen, Architektur, Medizin, Zahnmedizin, Krankenpflege, Pharmazie, Biotechnology, Management, Kommunikation, Informatik und Hotelmanagement.
Interessant und vorbildlich in den Augen einer Nichtraucherin: Auf dem gesamten Campus herrscht striktes Rauchverbot.

Martin studiert hier ein Semester, um zwei Mastertitel zu erhalten:  Printing and Media Technology der TU Chemnitz und der Manipal University. Um den Bachelor of Engineering in Printing Technology zu erhalten, studiert man hier sogar 4 Jahre und bezahlt dafür 10.828 Euro (693.000 Rupien). Für den 2-jährigen Master of Technology bezahlen Martins Klassenkameraden 2.937 Euro (188.000 Rupien).

 
Der liebe Martin sollte in meinem Blog auch mal zu Wort kommen und von seinem Studium berichten. Schreiben macht allerdings nur einem von uns beiden Freude, deswegen habe ich mich der Interview-Technik bedient und ihn ausgefragt.

Das Interview

Was sind die größten Unterschiede zwischen dem Studieren in Deutschland und Indien?

In Indien hat man einen engeren Kontakt zu den Lehrenden. Oft gibt es die Möglichkeit mit ihnen über das Fach und eventuelle Probleme zu reden. In Deutschland ist die Distanz größer und das Verhältnis anonymer. Obwohl die Anzahl meiner Kommilitonen sich in beiden Ländern nicht gravierend unterscheidet.

Außerdem ist das Studium in Indien viel verschulter. Die Vorlesungen finden fast immer im selben Raum statt. Doch es gibt keine monologen Vorlesungen wie man es aus Deutschland gewohnt ist. Hier wird gerne diskutiert.

Uni ist hier von Montag bis Samstag. Jeden Tag haben wir 4 bis 7 Stunden von 8.00 Uhr bis spätestens 17.00 Uhr.


Welches System findest du besser?

Grundsätzlich finde ich die Art des Studiums in Deutschland besser. Dort gibt es keine Anwesenheitspflicht wie in Indien. Man ist in seinen Entscheidungen freier, aber manche kommen vielleicht mit dieser Freiheit nicht klar.

Gut ist allerdings, dass wir hier nicht nur einmal am Ende des Semesters eine Prüfung schreiben, sondern drei. So lernt man schon im Semester öfters und es prägt sich den Stoff vielleicht besser ein. Natürlich ist das auch sehr anstrengend.


Ein paar Worte zu deinen Dozenten/Professoren. Hat dich jemand besonders beeindruckt?
Wir haben in unserem Institut nur einen Professor der Chemie. Die anderen sind einfache Dozenten oder sogar lehrende Masterstudenten. Drei Klassenkameraden arbeiten hier als Lehrkraft und nehmen deswegen nur an der Hälfte der Prüfungen teil.
Besonders beeindruckt hat mich ein Gastprofessor der Firma Unilever. Er referierte zum Thema Verpackungsdruck und -materialien. Er wusste auf all unsere Fragen Antwort und erklärte uns spontan anhand einer Wasserflasche deren beeindruckendes Design und Funktionen. Das Thema war sehr interessant und neu für mich, da wir in Chemnitz leider gar nicht auf Verpackungsdruck eingegangen sind. Dort ist man eher auf gedruckte Elektronik fokussiert.


Welche Fächer hattest du?

Ich hatte 9 Fächer, die alle geprüft wurden.
- Advanced Printed Packaging Technology
- Print Production & Business Management
- Quality Control & Standardization in Printing
- Color Management Systems
- Environment Management for Printing Industry (Wahlfach)
- Management Information Systems (Wahlfach)
- Seminar: Präsentation eines selbstgewählten Themas
- 2 Praktika


Kannst du dich noch an deinen ersten Tag an der Uni erinnern?

Ja, also ich wurde freundlich von meinen Kommilitonen aufgenommen und alle fragten mich, wie ich Indien finde. Neu war für mich die Frage: Hast du gegessen? Die muss ich bis heute noch jeden Tag beantworten.
Das Gebäude unseres Instituts und die Einrichtung hatte ich mir etwas moderner vorgestellt. Von der Toilette war ich echt geschockt.
Ich war froh, dass die Vorlesungen nur eine Stunde gingen. Bei 1,5 Stunden Vorlesung lässt die Konzentration irgendwann nach.

Und was ich wohl nie vergessen werde: Als ich mich gerade mit jemanden unterhielt, sah ich wie sich Digvijay und Ankur, einem Liebespaar ähnlich, innig umarmten. Ich habe nicht schlecht geguckt. Für mich war das ja vollkommen neu, aber nun weiß ich, dass Körperkontakt unter Männern hier üblich ist. Unter Frauen natürlich auch.


Wie ist das Bewertungssystem?

Es gibt die Noten A bis F. Berechnet wird das nach dem Maßstab des Besten, der dann ein A+ bekommt. Im gesamten Semester kann man 100 Punkte erreichen. Zehn Punkte für die Prüfungsvorleistungen, 2 x 20 Punkte für die Zwischenprüfungen und 50 Punkte für die Abschlussprüfungen.

Bei der Art der Bewertung habe ich den Eindruck, dass sie das Lineal anlegen und umso mehr man geschrieben hat, desto mehr Punkte bekommt man. Leider verlangen viele Inder immer nach Zusatzblättern zum beschreiben. Wichtig sind hier vor allem Erklärungen, Interpretationen, Umschreibungen – während ich eher ein Faktenschreiber bin und kein Geschichtenschreiber. Nicht ganz ungewöhnlich für einen Student eines technischen Studiengangs.


Wie ist studieren auf (Indisch)-Englisch?

Am Anfang war es schwierig durch den Akzent. Dann konnte ich aber gut folgen. Nur man kann immer besser verstehen, als sich ausdrücken. Leider habe ich nicht fließend Englisch sprechen gelernt, aber ich bin sicherer geworden und konnte vor allem mein Alltagsvokabular verbessern. 


Echte Freunde fürs Leben gefunden?

Am meisten ans Herz gewachsen sind mir Yuva Raju, Shivakumar und Devicharan. Devicharan (DC) - der unbekümmerte Klassenclown mit der Lache eines nicht anspringen wollenden Mopeds - hat mir vor allem bei den vielen Formalitäten am Anfang meines Aufenthaltes geholfen.
Yuva Raju ist ein aufgeschlossener, intelligenter und witziger Freund. Ich bin froh, dass er im September nach Deutschland kommt und dort ein Jahr mit mir zusammen studieren wird.
Shivakumar – die ruhige gute Seele – ist sehr strebsam, extrem sparsam und macht sich immer Sorgen um mich. Er ist schon verheiratet und der pünktlichste Inder, den ich kenne. Er ist nie zu spät und der Einzige, der in jedem Fach eine 100-prozentige Anwesenheit hatte. Einmal hat er mir aus der Hand gelesen:  Ich werde alt, werde ein Kind haben und später ein Durchschnittsgehalt bekommen. Außerdem sei ich klar in meinem Denken und gebe mein Geld sehr bedacht aus. Schön, dass er ebenfalls mit mir den Master in Chemnitz abschließen wird.

Dank den Dreien habe ich überhaupt manch wichtige Information während des Semesters bekommen. Ansonsten wäre ich ahnungslos aufgeschmissen gewesen.


Dein Fazit?

Geht nicht allein nach Manipal studieren – es kann manchmal sehr einsam sein. Und wohnt lieber im Hostel, anstatt in einer eigenen Wohnung außerhalb des Campus. Damit habt ihr keine Probleme mit Strom, Internet etc.


Vielen Dank!



Bei meinen Recherchen zu diesem Blogeintrag bin ich auf der Internetseite der Manipal University auf eine interessante Seite mit dem Titel “Dress Code” gestoßen:

Empfohlen für Männer:
- Hosen und Shirts mit Kragen
- Schuhe und Socken

Verboten für Männer:
- T-Shirts, kurze Hosen
- enge dreckige Jeans
- Mützen, Flip Flops, Sportschuhe
- Ohrringe
- am Boden schleifende Hosen
- Pferdeschwänze
- Hosen mit 6 oder mehr Taschen


Empfohlen für Frauen:
- formale Kleidung wie salwar kameez oder churidhar
- formales Schuhwerk
- Haare, die über die Schulter gehen, sollten zusammen gebunden werden.

Verboten für Frauen:
- enge dreckige Jeans
- am Boden schleifende Hosen, Röcke, kurze Hosen
- offenherzige tiefe Tops, Spaghettiträger-Tops, schulterfreie Tops, T-Shirts

Bei Verletzung der Kleiderordnung wird der betreffende Student zum Gehen aufgefordert.


Auf ihrer Internetseite berichten sie stolz, dass hier Menschen aus 52 Ländern studieren. Da finde ich diese engstirnige Kleiderordnung einer Privatuniversität - bei allem Respekt für indische Traditionen - nicht gerade passend. Wenn ich dort studiert hätte, hätte ich mich wohl mal mit dem Direktor anlegen müssen oder zumindest mir die komplette Neuausstattung meines Kleiderschrankes bezahlen lassen.


Und noch etwas äußerst Interessantes auf dieser Webseite:

Außerhalb des Campus:

"Any complaint or reporting of misbehaviour, violence, anti-socialism, unethical and immoral activities involving International students will be dealt with in accordance with the State and Central laws that are in force."
Selbst Studenten aus anderen Ländern dürfen sich außerhalb des Campus nicht des Anti-Sozialismus schuldig machen! Haha, Indien hat ja einiges mit China gemeinsam, aber das wäre mir neu.



So, meine lieben Blogleser, in den nächsten Tagen wird es hier sehr still werden.
Am Dienstag (31. Mai) begeben wir uns mit einigen Klassenkameraden auf große Nordindienreise. Bis nach Dehli müssen wir 38 Stunden Zugfahrt überstehen. Geplant ist, dass wir am 10. Juni wieder kommen.



P.S.: Alles alles Gute zum Geburtstag liebe Schwiegermutti! Wir stoßen hier in Indien auf dich an und denken an dich.




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