Sonntag, 15. Mai 2011

37/ Bine – die indische Braut


Am Sonntag fand das große Firmenevent der Manipal Group statt: Colors 2011. In einem Talentwettbewerb sind bereits alle Firmen gegeneinander angetreten. Jetzt wurden die Pokale verteilt und die Besten durften noch mal ihr Können unter Beweis stellen.

Eifrig planten wir unsere Programmpunkte für den großen Tag. Jede Firma hatte nur eine bestimmte Zeit zur Verfügung.
An den traditionellen indischen Tänzen durfte ich leider nicht teilnehmen, da sie angeblich zu schwer für mich seien. Sweta fragte mich aber, ob ich denn ein Opern-Lied vorsingen könnte. Bei aller Liebe und jahrelanger Chorerfahrung – das wäre reine Selbstüberschätzung. Meinen anderen Kolleginnen musste ich erstmal erklären, was denn eine Oper ist. Im Gegenzug schlug ich vor mit Martin Salsa vorzutanzen. Das wurde abgelehnt, da nur Angestellte der Manipal Group teilnehmen dürfen – schade.
Trotzdem wurde ich ein wichtiger Teil des Programms. In der Fashion Show sollten verschiedene indische Hochzeitskleidungsstile vorgeführt werden. Die Vielfalt ist natürlich riesig in so einem Land – deshalb unterteilten sie nach Religionen und Staaten. Kurz hatten sie überlegt mich als Christin in weiß gehen zu lassen. Doch letztlich sollte ich als Höhepunkt der Show die typische Braut des hiesigen Staates Karnataka präsentieren. Guillaume war mein Bräutigam. Martin war ein bisschen neidisch und auch meine Kolleginnen bedauerten, dass er nicht an meiner Seite sein konnte. Wir würden ja sooo perfekt zusammen passen.
Die Vorbereitungen in einem anderen Kulturkreis live mitzuerleben, kann ich definitiv als neue Erfahrung verbuchen. Natürlich kam ich gemäß meiner Natur nicht umhin mir Gedanken zu machen, wie man das alles effektiver und nervenschonender organisieren könnte.
Prajna hatte die ganze Organisation in der Hand – aber öfters ging es drunter und drüber. Während der Proben diskutierten sie heißblütig in ihrer Sprache. Die Choreografie änderte sich zig Mal. Wer geduldig jede Probe mit passiver Anwesenheit glänzte, schien auf der sicheren Seite. Leider fehlt mir dieses Gen unnötig (Arbeits)zeit zu verschwenden.
Apropos Zeit. Pünktlichkeit bedeutet ja überall auf der Welt etwas anderes. Einmal sagte Prajna mir, dass heute 16.30 Probe sei. Ich sah auf die Uhr und sagte: „Es ist 16.30.“. „Nein, es ist 16.29!“, antwortete sie. Im Endeffekt warteten Guillaume, ein paar andere pünktliche Idioten und ich wieder ewig  auf den Beginn der Probe. Manchmal erfuhr man auch erst wenige Minuten vorher von einem Treffen oder es wurde abgesagt, um dann doch statt zu finden. Wahrscheinlich denke ich einfach zu strukturiert oder das „Denken“ generell ist mein Problem. Mein Deutschkurs musste leider ausfallen in dieser Zeit. Ihr könnt euch vorstellen, dass das Laune-Barometer nicht steigt, wenn ich stattdessen die Zeit mit sinnlosem Warten verbringen muss.
Der schönere Teil der Vorbereitungen war die Auswahl eines Saris für mich. Rot-grün sollte er sein – also ganz traditionell. Zum Sari gehört eine Bluse. Wir schafften am Dienstag ein Stück knallroten Stoff zum Schneider. Leider war die Bluse Samstagabend immer noch nicht fertig. Ein anderer Schneider nähte sie für viel Geld am Sonntag gerade noch rechtzeitig fertig.
Bei dem Thema Armreifen rollte das nächste Problem auf uns zu. Meine Arme sind ja nun nicht fett; sie sind nur etwas größer ausgefallen als bei den indischen Frauen. Unter Schmerzen quetschte ich mich in die „größten“ Exemplare hinein. Zum Glück waren sie aus Metall und nicht wie üblich aus Glas.
Samstagabend fuhr ich extra nach Udupi zum Big Bazaar, um mir professionell Mehndi auftragen zu lassen. Ich blätterte durch ein Buch und entschied mich für ein edles Motiv auf dem Handrücken. Aus Zeit- und Kostengründen verzichtete ich auf die traditionelle Brautbemalung von Handinnenflächen und Füßen. Der Künstler legte los und zauberte in Windeseile traumhafte Motive. Neben mir saß ein kleines Mädchen, das sich ebenfalls bemalen ließ. Als der andere Mann fertig war, kam er zu mir und übernahm meine rechte Hand. Die beiden Motive unterschieden sich gravierend voneinander. Bei den Fingern schien er endgültig keine Lust mehr gehabt zu haben. Er pinselte schnell ein paar Streifen hin und fertig. 



Beim Schlendern durch das Einkaufszentrum musste ich aufpassen weder Personen noch Gegenstände meine Hände streifen zu lassen. Nichts berühren – wie es wohl das kleine Mädchen geschafft hat? Das auffällige Braun auf weißer Haut war natürlich wieder ein Hingucker. 


 
Am Sonntag war es soweit. Das Programm begann halb 2 in der Golden Jubilee Hall. Als wir ankamen, wurden gerade die Pokale verteilt und geredet und geredet – natürlich nicht auf Englisch! Unsere Firma MDS sahnte besonders viele Preise ab, u.a. Geld und Handys. Interessant war, dass die Sitzplätze der Halle in zwei Einheiten geteilt waren. Schilder wiesen darauf hin, dass die eine Hälfte für Männer sei und die andere für Frauen. Erst als ich zwischen Guillaume, Martin und vielen anderen Männern saß, fiel mir mein "Faux-Pas" auf.
Für die nächsten Stunden durfte Martin sich das Programm anschauen mit dem Auftrag alles medial festzuhalten, während ich vorbereitet wurde. 

Drei meiner Kolleginnen im Sari als freiwillige Helferinnen.
Unter dem Kostüm befindet sich übrigens Bijoor. Er war der Bräutigam bei meiner ersten indischen Hochzeit und ist in meiner Firma für die Produktfotografie zuständig.
Meine Kolleginnen und Kollegen in typischen Karnataka-Tanzkostümen.
Ein Mann als Frau verkleidet. Seinen "Tanzstil" dürft ihr weiter unten im Video bewundern.
Kurz vor dem Auftritt: Priyanka zupft an Reshma herum.
Wieder Tänzer meiner Firma in schicken Outfits.
Video:
- Anusha und eine andere Kollegin moderieren in der hiesigen Sprache Kannada die Show von MDS.
- Mitarbeiterinnen einer anderen Firma tanzen für den Gott mit Elefantenkopf Ganesha.
- Mann als Frau verkleidet tanzt. (siehe oben)
- Die Tanzgruppe von MDS. (siehe oben)



Zur gleichen Zeit saß ich im Umkleidezelt. Zuerst waren meine Haare dran. Ein Kollege flocht zwei Zöpfe an meinem Kopf entlang. Von meinen Haaren war nicht mehr viel zu sehen, als er die typischen Blumen und eine bunte „Girlande“ befestigt hatte. Danach bekam ich von Prajna rote Farbe mittig auf Stirn und Haar gekleistert – das Zeichen der verheirateten Frau. ;)

Schnell noch einmal üben vor dem großen Auftritt.
Es war Zeit zum Ankleiden. Ich quetschte mich in die sau enge Bluse – in Indien presst man scheinbar gerne. Mit Hilfe von zwei Mädels und vielen Sicherheitsnadeln wurde ich in das Hochzeitsgewand befördert. Dann hing man mir Unmengen von Schmuck um. Auf dem Schminkstuhl wurde es richtig hektisch. Die vielen Schichten Lippenstift landeten nicht nur auf meinem Mund, sondern auch meine Zähne kamen in den rosa Genuss. Die Mädels gaben mir immer wieder ausversehen Anweisungen auf ihrer Sprache statt in Englisch. Es ist sowieso schade, dass ich hier nie mithören kann, was sich alle immer so angeregt erzählen. Da verpassen ich und meine Blogleser jede Menge Interessantes.
Prajna wurde „leicht“ hysterisch. Das ganze Mädels-Umkleide-Zelt verwandelte sich in eine chaotisch-hektische Nervenanstalt. Unsere Männer hingegen posierten draußen entspannt vor der Kamera.

In letzter Minute fiel einer auf, dass ich noch keine Armreifen trug. Schreie folgten kreuz und quer durch das Zelt. Ich sollte Anushas Armreifen tragen. Sie waren nicht nur extrem eng, sie waren noch dazu aus Glas! In der Hektik hatte ich echt Angst, dass es ein blutiges Ende an meinen Handgelenken geben würde. Nichts passiert; ich hastete bzw. watschelte Richtung Bühne. Der Sari zwang förmlich zum langsam Laufen. Mein Gang hatte fast etwas Geisha-Ähnliches.
Zum Glück hatte ich mir doch keine neuen Schuhe für den Auftritt gekauft – hier heiratet man barfuß.

Bühne frei!

In der Fashion Show traten die drei zentralen Religionen Hinduismus, Christentum und Islam auf. Die anderen Brautpaare waren im Stil verschiedener indischer Regionen gekleidet.

1             Manipuri             Sushma und Prateek     (fehlen am Anfang des Videos)
2             Bengali                 Sushmitha und Manoj
3             Muslim                 Priya und Praveen
4             Christian              Komal und Shasikath
5             Marati                  Gayathri und Dobin
6             Coorg                   Chaitra und Manjunath
7             Kerala                   Rachana und Chethan
8             Jammu & Kashmir           Pooja und Sandeep
9             Punjab                 Priyanka und Tony
10           Tamil                     Sandya und Rajesh
11           Karnataka           Sabine und Guillaume

Priyanka und Tony in der Tracht des indischen Bundesstaates Punjab. Der Name Punjab kommt aus dem Persischen und bedeutet wörtlich „fünf Wasser“. Der Name verweist auf die fünf großen Flüsse Beas, Jhelam, Chanab, Ravi und Satluj, welche die Region durchfließen.


 
 
mit Sushma und Prateek (Manipuri)



Nach der Fashion Show begeisterten unsere Mädels mit dem beliebten Punjabi-Tanz.

Priyanka glänzt mit ihrem Talent - sie hat an jedem Tanz und bei der Fashion Show teilgenommen.





Nach der Show waren alle glücklich und zufrieden – aber erschöpft. Endlich Zeit für ein paar Fotos. Kleiner Wermutstropfen: Mein geliebtes weißes Top ist mir in dem Trubel abhanden gekommen.


Die liebe Comal und ich. Ich habe schon öfters gescherzt - wenn sie in westlichen Klamotten und ich in indischen Klamotten auf Arbeit kam, dass sie doch an meiner Stelle nach Deutschland fahren sollte. Es würde keinem auffallen.
Mein Teilzeit-Bräutigam

Der Richtige


Von links: Rachana und Chethan repräsentieren Kerala, ein Bundesstaat im Südwesten Indiens. Der Name Kerala bedeutet wörtlich „Land der Kokospalmen“. Priya als Muslimin. Pooja für Jammu & Kashmir. Jammu und Kashmir ist der nördlichste indische Bundesstaat und Teil der zwischen der Volksrepublik China, Indien und Pakistan umstrittenen Region Kaschmir. Sandya und Rajesh (Tamil).


Der Karnataka-Style

Eine glückliche Braut (mit jeder Menge *blingbling*)


Die häufigsten Komplimente, die ich zu hören bekam: „You’re looking like a princess!“ oder „You’re looking like a doll!“ Mit „Puppe“ meinen sie, dass alles einfach perfekt passt und es sei ein großes Kompliment. Als ich das zum wiederholten Mal hörte, antwortete ich: Ich würde lieber wie ein Mensch aussehen.


Welcome back: Fast wieder die alte Bine! ;)


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